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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene
Autoren: Franz Kafka
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hatte, um ihn zu erwarten.
    „Sie wollen bei uns eintreten?" fragte der Mann. „Ich bin der Personalchef dieser Truppe und heiße Sie will- kommen." Er war ständig wie aus Höflichkeit ein wenig vorgebeugt, tänzelte, trotzdem er sich nicht von der Stelle rührte und spielte mit seiner Uhrkette. „Ich dan- ke", sagte Karl, „ich habe das Plakat Ihrer Gesellschaf gelesen und melde mich wie es dort verlangt wird." Sehr richtig", sagte der Mann anerkennend, „leider verhält sich hier nicht jeder so richtig." Karl dachte dar- an, daß er jetzt den Mann darauf aufmerksam machen könnte, daß möglicherweise die Lockmittel der Werbetruppe gerade wegen ihrer Großartigkeit versagten. Aber er sagte es nicht, denn dieser Mann war gar nicht der Führer der Truppe und außerdem wäre es wenig empfehlend gewesen, wenn er der noch gar nicht aufge- nommen war, gleich Verbesserungsvorschläge gemacht hätte. Darum sagte er nur: „Es wartet draußen noch einer, der sich auch anmelden will und der mich nur vorausgeschickt hat. Darf ich ihn jetzt holen?" „Natür- lich", sagte der Mann, „je mehr kommen, desto besser." Er hat auch eine Frau bei sich und ein kleines Kind im Kinderwagen. Sollen die auch kommen?" „Natürlich", sagte der Mann und schien über Karls Zweifel zu lä- cheln. „Wir können alle brauchen." „Ich bin gleich wie- der zurück", sagte Karl und lief wieder zurück an den Rand des Podiums. Er winkte dem Ehepaar zu und rief daß alle kommen dürfen. Er half den Kinderwagen auf das Podium heben und sie giengen nun gemeinsam. Die Burschen die das sahen, berieten sich miteinander, stie- gen dann langsam, bis zum letzten Augenblick noch zö- gernd, die Hände in den Taschen auf das Podium hinauf und folgten schließlich Karl und der Familie. Eben ka- men aus dem Stationsgebäude der Untergrundbahn neue Passagiere hervor, die angesichts des Podiums mit den Engeln staunend die Arme erhoben. Immerhin schien es als ob die Bewerbung um Stellen nun doch lebhafer werden solle. Karl war sehr froh so früh, vielleicht als erster gekommen zu sein, das Ehepaar war ängstlich und stellte verschiedene Fragen darüber, ob große Anforde- rungen gestellt würden. Karl sagte, er wisse noch nichts Bestimmtes, er hätte aber wirklich den Eindruck erhal- ten, daß jeder ohne Ausnahme genommen würde. Er glaube, man dürfe getrost sein.
    Der Personalchef kam ihnen schon entgegen, war sehr zufrieden, daß soviele kamen, rieb sich die Hände, grüß- te jeden einzelnen durch eine kleine Verbeugung und stellte sie alle in eine Reihe. Karl war der erste, dann kam das Ehepaar und dann erst die andern. Als sie sich alle aufgestellt hatten, die Burschen drängten sich zuerst durcheinander und es dauerte ein Weilchen ehe bei ihnen Ruhe eintrat, sagte der Personalchef, während die Trom- peten verstummten: „Im Namen des Teaters von Okla- hama begrüße ich Sie. Sie sind früh gekommen (es war aber schon bald mittag) das Gedränge ist noch nicht groß, die Formalitäten Ihrer Aufnahme werden daher bald erledigt sein. Sie haben natürlich alle Ihre Legitima- tionspapiere bei sich." Die Burschen holten gleich ir- gendwelche Papiere aus den Taschen und schwenkten sie gegen den Personalchef hin, der Ehemann stieß seine Frau an, die unter dem Federbett des Kinderwagens ein ganzes Bündel Papiere hervorzog, Karl allerdings hatte keine. Sollte das ein Hindernis für seine Aufnahme wer- den? Es war nicht unwahrscheinlich. Immerhin wußte Karl aus Erfahrung, daß sich derartige Vorschrifen wenn man nur ein wenig entschlossen ist, leicht umge- hen lassen. Der Personalchef überblickte die Reihe, ver- gewisserte sich daß alle Papiere hatten und da auch Karl die Hand, allerdings die leere Hand erhob, nahm er an, auch bei ihm sei alles in Ordnung. „Es ist gut", sagte dann der Personalchef und winkte den Burschen ab, die ihre Papiere gleich untersucht haben wollten, „die Papie- re werden jetzt in den Aufnahmskanzleien überprüf werden. Wie Sie schon aus unserm Plakat gesehn haben, können wir jeden brauchen. Wir müssen aber natürlich wissen, was für einen Beruf er bisher ausgeübt hat, damit wir ihn an den richtigen Ort stellen können, wo er seine Kenntnisse verwerten kann." „Es ist ja ein Teater", dachte Karl zweifelnd und hörte sehr aufmerksam zu. Wir haben daher", fuhr der Personalchef fort, „in den Buchmacherbuden Aufnahmskanzleien eingerichtet, je eine Kanzlei für eine Berufsgruppe. Jeder von Ihnen wird mir also jetzt seinen
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