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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition)
Autoren: Robert M. Talmar
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diese Kisten waren versengt und übel zugerichtet, aber zwei oder drei, die unterhalb der anderen lagen, waren von den Flammen verschont geblieben. In einer fanden sie zwar keine Decke, aber einen zusammengelegten und mit Pelz gefütterten Ledermantel, den Glimfáin auf dem kalten Gipfel des Cerenath getragen haben mochte. Er war an den Schößen und Schultern mit Metallringen durchwirkt.
    Er roch stark nach Rauch und Asche. Zu ihrem Glück aber war er trocken und unbeschädigt geblieben. Der Mantel war noch dicker und schwerer als das schwarze Gewand, in das Saisárasar sie am Alten Turm gesteckt hatte.
    Tallia und Finn konnten das Kleidungsstück nur gemeinsam aus seinem Behältnis heben, und fast dachten sie, sie trügen einenleibhaftigen Dwarg zwischen sich, als sie damit zur Krüppelkiefer zurückgingen. Glimfáin lag noch genauso da, wie sie ihn verlassen hatten. Sein Atem kam stoßweise. Aber immerhin spuckt er kein Blut, dachte Finn. Folglich hat er keine Feuerlohe eingeatmet, und seine Lunge ist heil geblieben.
    Sie breiteten den Mantel vorsichtig über Glimfáin aus.
    Finn dachte gerade noch rechtzeitig an die empfindlich verletzten Beine und bog aus drei Kiefernzweigen ein notdürftiges Gestell zurecht. Er spitzte die Enden der Zweige mithilfe von Glimfáins Dolch an und rammte sie neben dessen zuckenden Beinen so in den Boden, dass sie einen Tunnel bildeten.
    Danach schlugen sie den Mantel darüber wie ein Zelt. Sie richteten sich zitternd auf und sahen sich an.
    »Ehe du mich fragst: Was jetzt?   – Ich habe keinen blassen Schimmer«, gestand Finn. »Er braucht dringend Hilfe, und wir müssen sie ihm verschaffen, so viel ist klar. Wir können nicht warten, bis der Morgen graut. Ich sehe nur nicht, wie wir aus dem Schlamassel herauskommen. Wir können ihn nicht einfach allein zurücklassen. Aber wenn einer von uns beiden bei ihm bleibt, erhebt sich die Frage: Wer? Und wer von uns beiden eilt hinfort und holt Hilfe herbei?«
    »Dürfen wir das denn überhaupt? Ich meine, Hilfe herbeiholen? Dann erfahren viele andere Vahits von ihm. Verstößt das nicht gegen das Gesetz der Dwarge, von dem er sprach? Du weißt schon: Sie dürfen uns nicht sehen ?«
    »Ich wäre froh, könnte ich dir mehr sagen als: Ich habe keinen blassen Schimmer«, erwiderte Finn. »Aber muss es uns kümmern? Gesetze sollten niemals irgend jemanden davon abhalten, das Richtige zu tun. Ohne Hilfe wird er sterben, Tallia, und ich kann mir kein Gesetz vorstellen, welches das von ihm verlangt. Aber ob ja, ob nein, es ist nicht mein Gebot.« Er blickte sie fast trotzig an, zuckte aber dann mit den Schultern. »Dennoch müssen wir eine Entscheidung treffen. Einer von uns beiden wird wohl oder übel bei ihm Wache halten müssen.«
    »Dann geh du, ich werde bleiben.«
    »Das ist viel zu gefährlich. Was ist, wenn der Ledir früher zurückkommt?« Finn schüttelte den Kopf. »Ich will dich nicht noch einmal verlieren, Tallia.«
    »Ich werde hier warten«, sagte sie und legte ihm die Hand an die Wange. Sie kämmte sein Haar zurück, das nach dem Regen zu allen Seiten abstand. »Ich werde ganz brav sein und diesen Ort nicht verlassen. Versprochen. Es hilft ja nichts, Finn   – du musst gehen. Ich könnte es gar nicht. Ich weiß noch nicht einmal, wo ich gerade bin. Ich kenne mich im Obergau nicht aus, wie du weißt. Als Glimfáin mich durch den Wald trug, war ich ohnmächtig. Dazu ist es fast stockdunkel. Ich finde weder Weg noch Richtung. Ich würde mich unweigerlich verlaufen. Dann würdest du mich womöglich verlieren.« Sie lächelte und strich sein Haar weiter zurück, immer wieder, als wolle sie seine widerspenstigen Locken ebenso überzeugen wie ihn selbst.
    »Damit scherze nicht«, bat er. »Als du bei der Schmiede plötzlich fort warst, da bin ich   … D-da habe ich   …« Wieder einmal geriet er ins Stottern. »Ich habe mir die größten Sorgen gemacht. Und Vorwürfe. Ich bin so sehr gerannt und   … Ich will dich einfach nicht verlieren«, wiederholte er.
    Er hörte sich die Worte sagen und wollte doch nicht glauben, dass dies seine eigenen Worte sein sollten.
    Ich will dich einfach nicht verlieren.
    Na bestens, Herr Finn. Das klingt missverständlicher als es sollte   – und hört sich mindestens so doppeldeutig an wie ein derber Wirtshausscherz. Man könnte meinen, du wolltest sie um etwas gänzlich anderes bitten. Als hättest du ein Anrecht auf sie. Als fragtest du sie   …
    Und als er es endlich dachte, da wurde ihm
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