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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient
Autoren: Renate Hartwig
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damals – siehe die DAK-Kooperation mit
Healthways
– schlicht eine Tatsache und wurde im Bayernkurier als Errungenschaft gepriesen. Wer da irgendwem noch vormachte, da müsse etwas intensiv geprüft und gegebenenfalls vereitelt werden, betrieb Verschleierung.
    Jetzt ist in der CSU das Lamento groß, dass die Wähler »was gemerkt« haben. Die Erneuerung der CSU wird aber wesentlich damit zusammenhängen, dass sie ihre Kräfte weniger auf das Vertuschen als auf das Verändern ihrer Politik konzentriert. Die Leute wollen 1. Patienten bleiben und keine »Kunden« von Gesundheitskonzernen werden, die ihnen das Geld aus der Tasche ziehen; sie wollen 2. den freien, niedergelassenen Arzt ihres Vertrauens; sie wollen 3., dass wieder junge Ärzte in diesen Beruf gehen; sie wollen 4., dass Call-Center sofort aufgegeben oder nach Amerika expediert werden; sie wollen 5., dass alle (!) Daten, die aus der intimen Beziehung Arzt – Patient hervorgehen, in der Praxis und unter dem Schutzsiegel des Arztgeheimnisses bleiben, was 6. bedeutet, dass sich die Gesundheitskarte und sämtliche Nebenläufer von Datentransfers an Dritte erledigt haben. Das wollen die informierten Bürger. Jeder Politiker kann es in fünf Minuten in Erfahrung bringen, sofern er sich noch unter die Menschen traut.
    Aber nun zu den Ärzten. Zwei Monate vor der bayerischen Landtagswahl im September 2008 rief der Hausärzteverband seine Mitglieder in einem Rundschreiben auf:
     
    »Deshalb bitten wir Sie nun, alle gegen die CSU gerichteten Äußerungen und Aktionen einzustellen und die entsprechenden Plakate aus den Praxen zu entfernen.«
     
    Was war geschehen? Am 14. Juli 2008 informierte der bayerische Hausärzteverband seine Mitglieder über das Gespräch in der Staatskanzlei mit Ministerpräsident Beckstein, Ministerin Stewens, Minister Seehofer und Minister Huber. Ich zitiere aus dem erwähnten Rundschreiben:
     
    »Folgende Ergebnisse wurden bei diesem Treffen vereinbart: Der § 73 b SGB 5 (Sozialgesetzbuch V) wird entsprechend unseren Vorstellungen geändert
.
    Als Vertragspartner kommt nur eine Gemeinschaft von Hausärzten in Frage, in der mehr als 50 % der Allgemeinärzte des Bundeslandes organisiert sind, in Bayern also nur der bayerische Hausärzteverband. Der Gesetzesänderungsantrag, der in Berlin bereits mit der Bundeskanzlerin, mit dem Koalitionspartner und mit der Bundesgesundheitsministerin abgestimmt ist, wurde uns übergeben. Die bayerische Staatsregierung war einhellig der Auffassung, dass nur eine bayernweite, flächendeckende Ausschreibung des Hausärztevertrages in Frage kommt. Regionale Ausschreibungen, die einen Flickenteppich von Verträgen erzeugen würden, lehnte sie ebenso wie wir entschieden ab
.
    Die bayerische Staatsregierung vertrat die Auffassung, dass die AOK Bayern den Hausärztevertrag umgehend ausschreiben soll. Die bayerische Staatsregierung wird diesbezüglich auf die AOK-Spitze zugehen. Der Vertrag muss am 1. 10. 2008 in Kraft treten, damit er auch pünktlich zum 1. 1. 2009 gelebt werden kann, da die Patienten ein Quartal vorher eingeschrieben werdenmüssen. Ob eine Neueinschreibung erforderlich ist, muss noch juristisch geklärt werden. (…) Es ist jetzt ein Gebot der Stunde, in der politischen Auseinandersetzung innezuhalten und der Politik und den Krankenkassen Gelegenheit zu geben, die Gesetze zu beschließen und die Verträge abzuschließen
.
    Deshalb bitten wir Sie nun, alle gegen die CSU gerichteten Äußerungen und Aktionen einzustellen und die entsprechenden Plakate aus den Praxen zu entfernen. (…)«
     
    Was war da geschehen? In der Not einer herannahenden Wahlschlappe suchte die CSU das Agreement mit den Hausärzten. Um alles in der Welt sollte ein weiterer Brandherd vermieden werden. Mit dem Vorstand des Bayerischen Hausärzteverbands wurde hart verhandelt – und scheinbar ein Sieg errungen. Die Neuregelungen sollten nach Informationen aus Fraktionskreisen in Berlin nach der Sommerpause als Gesetz eingebracht werden. Außerdem seien Neuerungen den Wegfall der Altersgrenze für niedergelassene Ärzte betreffend geplant. Mitte Oktober wurde dies alles mit dem damals im Bundestag beratenen Insolvenzrecht für die Kassen beschlossen.
    Der Deal, der im Effekt eine wirtschaftliche Besserstellung der Ärzte in Aussicht stellte, war noch nicht unter Dach und Fach, da kam schon die Retourkutsche. Kaum zwei Tage, dass die Zeitungen den Burgfrieden der Ärzte mit der Politik verkündet hatten, kam schon die
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