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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition)
Autoren: Robert M. Talmar
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Furgo vereidigter Siegelhersteller; eine hohe Ehre und ein bemerkenswerter Vertrauensbeweis der hüggelländischen Obrigkeit. Oh ja, man schätzte in der Hel seine Arbeit   – und die Höhe seiner jährlichen Abgaben an den Hüggellandschatz.
    Wredian Gimpel, der zur Alvain-Feier, dem Neujahrsfest, des Jahres 710 nach langer Zeit wieder einmal Mechellinde besuchte, wurde nicht müde, den erfreulichen Zustand nachdrücklich zu betonen, dass Furgo so einen prächtigen Nachfolger finden werde. Und das sollte etwas heißen, war er doch der Vahogathmáhir, der obersteHüter des Hüggellandes, dem alle Gauvogte des Landes unterstanden.
    Alle bedeutenden Vahits des Umkreises waren zur diesjährigen Alvain-Feier geladen worden, und Furgo als wichtigster Cuorderir des Obergaus gehörte selbstverständlich dazu.
    »Wohlan.« Wredian Gimpel erhob seinen Becher. »Vom Schicksal begünstigt sind jene, die einen Erben haben. Gesegnet aber sind die, deren Erbe sich des Erbes als würdig erweist.« Es war als Trinkspruch gemeint, und die Anwesenden erhoben der Sitte gemäß gleichfalls ihre Humpen und Becher, zum Anstoßen bereit.
    Furgo allerdings nahm den Ausspruch persönlich.
    »Für wen denn, wenn nicht für Finnig?«, ereiferte er sich. »Ich meine: Für wen denn sonst hab ich mich all die Jahre aufgeopfert? Hab von früh bis spät in der Werkstatt gestanden? Hab mich mit den Gesellen und ihren Flausen abgemüht? Hab aus einer kleinen, unbedeutenden Tintnerey das größte, das beste, das bekannteste Geschäft gemacht, dessen sich ein rechtschaffener Vahit überhaupt nur rühmen kann? Für wen denn also sonst?«
    Er blickte auffordernd in die Runde, als erwarte er eine Antwort. Die versammelten Gäste starrten mit erhobenen Trinkgefäßen zurück, unschlüssig, ob sie nun ihren Durst löschen durften oder nicht, und ratlos, ob sie etwas auf Furgos Redeschwall erwidern sollten oder besser schwiegen. Sie durften beides nicht. Herr Gimpel schüttelte sacht den Kopf.
    »Mein lieber Furgo   – natürlich nur für deinen Sohn«, beschwichtigte der Bürgermeister. »Und möge er die richtige Wahl treffen. Sag   – kommt er nicht in diesem Jahr in seinen Vierundachtzigsten?«
    Gemeint war der 84. Monat der Tubertel . Furgos Gesicht lag im Schatten, und so sah niemand, wie es sich verfinsterte.
    »Ja«, antwortete Furgo. Die Falten auf seiner Stirn sprachen Bände.
    Denn es war im Hüggelland durchaus nicht üblich, dass die Söhne ihren Vätern zwingend in deren Fußstapfen folgten. So bestand das Brauchtum der Tubertel eigens darin, jedem erwachsen werdenden Vahit die Möglichkeit zu bieten, sich über sich selbst und seine Vorlieben klar zu werden. Diese Zeit der Findung und Reife dauerte sieben volle Jahre lang (eine bedeutende Zahl) und währte vom einundzwanzigsten bis zum achtundzwanzigsten Geburtstag. Vierundachtzig Monate, in denen die Herangewachsenen verantwortungsfrei ihren Launen und Vorlieben nachgehen konnten. Die Zahl der Monate war mit Bedacht gewählt, währte ein durchschnittliches Vahitleben doch etwa 84 Jahre, sodass jeder Monat der Tubertel für ein Lebensjahr stand. Die meisten jungen Vahits fanden während dieser sieben Jahre eine Beschäftigung, der sie sich fortan widmen wollten, und das eben war der tiefere Sinn dieser Gepflogenheit: eine Aufgabe zu wählen, der sie sich mit Leib und Seele für den Rest des Lebens hingeben konnten.
    »Dann wollen wir auf den jungen Herrn Finn Fokklin trinken«, rief der Vahogathmáhir. »Auf den Sohn unseres geschätzten Meisters von Fokklinhand. Ein Hoch auf den Erben!« Die versammelte Gesellschaft nahm diesen Trinkspruch auf. Die schon abgesenkten Humpen und Becher stießen endlich aneinander, und unter den allgemeinen Hochrufen stahl sich sogar der Anflug eines Lächelns auf Furgos verkniffene Züge.
    Der Vahogathmáhir nickte allen zu und war es für sich zufrieden; in drei Jahren würde das Hüggelland sein 700-jähriges Bestehen feiern, was ein gewaltiges Fest (mit noch gewaltigeren Ausgaben) erforderlich machte. Es war nie zu früh, für derlei Anlässe mit dem Sammeln von Spenden zu beginnen. Und Furgos Geldbeutel war ohne Frage der gewichtigste der langen Tafel. Er drückte dem auserkorenen künftigen Spender überschwänglich die Hand.
    »Ja«, sagte Furgo; er klang alles andere als glücklich.
    Auch Finn war ob der Ansprache seines Vaters nicht glücklich, sah er seinem 28. Geburtstag doch mit noch gemischteren Gefühlen entgegen als Furgo. An jenem Tag, dem
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