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Der vergessene Templer

Der vergessene Templer

Titel: Der vergessene Templer
Autoren: Jason Dark
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letztendlich tapfer in den Tod zu gehen.
    Ob tapfer oder feige. Tot war tot, das sah Viktor von Narbonne ein. Es machte keinen Unterschied.
    Beim Weitergehen zog er sein linkes Bein nach. Die Küche hatte einen Ausgang. Die Tür war wesentlich breiter. Sie stand offen. Der Blick des Verwundeten fiel auf den Beginn einer alten, krummen Steintreppe, die in die Höhe führte.
    Diese musste er hoch, um ins Freie zu gelangen. Er wusste, was ihn erwartete, und ihn schauderte jetzt schon. Er besaß keine Waffe mehr. Sein Schwert hatte er im Kampf verloren, doch er würde sich eines besorgen können. Seine toten Freunde waren damit ausgerüstet. Die Gegner hatten sie ihnen sicherlich gelassen.
    Er musste die Treppe hoch, was für ihn nicht leicht war. Stufe für Stufe schleppte er sich nach oben. Der Weg war von seinem Keuchen begleitet, und hätte es nicht den eisernen Wandlauf gegeben, er hätte es wohl kaum geschafft.
    So aber kämpfte er sich weiter und schaffte es auch, das Ende der Treppe zu erreichen.
    Er blieb stehen, weil er die ersten Toten sah. Zwei seiner Freunde lagen direkt vor ihm. Tränen traten wieder in seine Augen, als er die zerschundenen Körper sah. Durch die größeren Fenster, in denen das Glas nicht mehr vorhanden war, drang der sonnengelbe Lichtschein und traf auch die Leichen.
    Sie sahen grauenhaft aus. Das Blut war geronnen. Es hatte eine Schicht auf ihrer Haut hinterlassen. Zerstörte Gesichter und ein Kopf, der nur noch halb an den Sehnen und Muskeln hing.
    Mit schlurfenden Schritten ging Victor von Narbonne durch den hallenartigen Raum. Er und die anderen Templer hatten ihn als Rittersaal benutzt. Hier hatten sie sich getroffen und gemeinsam gesprochen und natürlich Pläne gemacht, denn sie hatten gewusst, dass sie weiter fliehen mussten, um den Häschern Roms zu entgehen. Leider hatten sie den Entschluss zu spät gefasst.
    Um die Feste zu verlassen, musste er den Burghof überqueren. Es gab auch noch den mit Wasser gefüllten Graben an der Brücke. Erst hinter ihr begann das freie Gelände, in dem er auch die steilen Wege fand, die hinab zum Fluss führten.
    Es war so still, was ihn eigentlich hätte freuen müssen. Victor von Narbonne freute sich trotzdem nicht darüber, weil diese Stille vom Atem des Todes durchweht wurde.
    Wo seine neun getöteten Freunde lagen, wusste er nicht. Einige noch in der Burg, andere auf dem Hof und auch im Wassergraben, Dass er als Einziger die blutige Schlacht überlebt hatte, das deutete er nicht als Feigheit. Man hatte ihn in die Burg hineingetrieben, und dort hatte er sich verteidigen müssen.
    Er musste sich noch einige Meter weiter schleppen, bis er im Freien stand und das warme Licht der Morgensonne genießen konnte. Die Zeit des Genusses aber war vorbei. Selbst die strahlende Helligkeit konnte die Schatten des Todes nicht vertreiben und ebenfalls nicht den stickigen Blutgeruch, den kein Wind vertrieben hatte.
    In seiner Brust schien ein schwerer Stein zu liegen. Die Augenlider waren ihm schwer geworden. Er fühlte sich müde. Auch die warmen Sonnenstrahlen konnten die Kälte in ihm nicht vertreiben.
    Er wollte die Augen eigentlich schließen, doch er schaffte es nicht. So fiel sein Blick auf die Toten. Sie verteilten sich auf dem. Burghof, als hätte jemand mit den Leichen gewürfelt.
    Es war zu sehen, dass sie sich bis zum letzten Atemzug verteidigt hatten. Sogar noch schwer verwundet hatten sie versucht, den Spieß umzudrehen, was ihnen nicht gelungen war.
    Fünf seiner Freunde lagen dort, so grausam ums Leben gekommen. So unwürdig. Wofür sie gekämpft hatten, war vorbei, die römische Macht hatte gewonnen, denn ihr Arm reichte verdammt weit, das wurde Victor bei diesem Anblick wieder bewusst.
    Wenn er den Burghof überquerte, würde er die schmale Brücke erreichen, die über den Graben hinwegführte. Erst danach begann der Weg, der zum Fluss hinabführte.
    Ein abschließendes Gebet wollte ihm nicht mehr über die Lippen. Mit dem, wofür er mal gekämpft hatte, hatte er abgeschlossen. Er wollte nur noch überleben und dachte dabei an Rache.
    Mit schweren Schritten ging er weiter. Er wollte seine Freunde nicht mehr ansehen. Ihm reichten der Blutgeruch und das Summen der verdammten Fliegen, die über den Leichen wahre Wolken gebildet hatten, um sich am Blut zu laben.
    Waffen lagen herum, aber er nahm kein Schwert auf. Er fühlte sich einfach zu schwach. Schon beim Gehen knickten seine Knie ein, und er musste stark darauf achten, nicht zu
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