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Der vergessene Mond Bd II - Zeit des Erwachens (German Edition)

Der vergessene Mond Bd II - Zeit des Erwachens (German Edition)

Titel: Der vergessene Mond Bd II - Zeit des Erwachens (German Edition)
Autoren: Bernd Tannenbaum
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ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Ihre Schlafdecke lag an dem üblichen Platz, noch warm und zerwühlt von ihrem plötzlichen Manöver. Der kleine Tisch, das einzige Möbelstück in ihrem Raum, stand noch immer an derselben Wand, an der sie ihn noch vor wenigen Stunden benutzt hatte. Feder und das Tintenfass sauber an den Rand gerückt, befand sich das Pergament noch in der Mitte des Tisches, auf dem sie gezeichnet hatte. Ein kurzer Blick zeigte ihr, dass die Zeichnung noch unverändertwar, in sauberen Strichen hatte sie an einem Kirschbaum in der Blütezeit gearbeitet, ihrem Lieblingsmotiv.
    „ Wieder ein Kirschbaum und wieder dieses beklemmende Gefühl von drohender Gefahr “. Der Anblick des Bildes erinnerte sie umgehend an die Ebene von Tong, durch die sie im Frühling ihres vierzehnten Jahres im Kloster gereist war, schon damals hatte das warnende Gefühl in ihrem Magen ihr Leben gerettet. Die gesamte Ebene war an jenem Tag in ein Meer von Kirschblüten gebadet, der Duft der Pflanzen hatte ihr die Sinne geraubt. Sie hatte den Frühling schon immer geliebt, aber dort, inmitten der Ebene, umgeben von tausenden Kirschbäumen, dort war auch ihr Herz aufgeblüht.
    Es war auch das erste Jahr gewesen, in dem sie diese neuen Gefühle bemerkte, die sie vorher nicht gekannt hatte. Blut schoss in ihr Gesicht, wenn sie Nakang ansah und eine innere Hitze schien sie zu erfassen, wann immer sie in seiner Nähe war. Nakang war damals bereits im zwanzigsten Jahr in der weißen Blume und hatte gerade den vierten Shitsu gemeistert. Seine langen schwarzen Haare legten sich sanft über seine muskulösen Schultern, während er langsam neben Meister Yi den Pfad entlang ging. Es war eine große Ehre für Kira gewesen, das sie den Meister auf seiner Reise begleiten durfte und erst das dritte Mal, dass sie das Kloster für mehr als nur einige Stunden verlassen hatte. Die Angst, die sie zu Beginn der Reise ergriffen hatte, als sie die beschützenden Mauern des Klosters verließ, war schnell ihrer Neugier gewichen und spätestens seit sie die Ebene von Tong erreicht hatten, war aus ihrer Neugier Euphorie geworden.
    Der Tag hätte perfekt sein können, wäre da nicht der verdammte Pak-Ma und seine ihm angeborene Sturheit gewesen. Das riesige graubefellte Lasttier maß eine Länge von mehr als sechs Metern, wenn auch die letztenbeiden Meter nur aus seinem spitz zulaufenden Schwanz bestanden. Unendlich langsam setzte es einen seiner vier grauen Hufe vor den anderen, während die Reiseausrüstung des Meisters und seiner Begleiter bedenklich an den Seiten seines fetten Körpers hin und her schaukelte. Es war Kiras Aufgabe, das riesige Lasttier zu führen und das verlangte mehr von ihrer Aufmerksamkeit, als ihr lieb war. Obwohl sie bereits im zehnten Jahr gelernt hatte, ein Pak-Ma zu führen, schien gerade dieses Exemplar auffällig störrisch zu sein. Sie musste unter allen Umständen verhindern, dass sich der eigenwillige und faule Gigant plötzlich auf die Seite legte und so die an seinen Seiten befestigte Ausrüstung zerdrückte.
    Gerade als sie das Lasttier wieder im Griff hatte und hoffte, ihren Blick wieder auf die perfekten Schultermuskeln Nakangs legen zu können, war es passiert. Ihr Magen hatte sich verknotet und die unmittelbare Nähe von Gefahr schien so offensichtlich, dass sie beinahe laut aufgeschrieen hätte. In dem Moment, in dem das Erbeben der Erde spürbar geworden war, hatte sie sofort reagiert. Mit zwei schnellen Sätzen und einem Sprung auf den besonders hohen Kirschbaum an ihrer linken Seite, den sie gerade noch wegen seiner Blütenpracht bewundert hatte, brachte sie sich in Sicherheit.
    Ein schneller Blick zurück zeigte ihr, dass ihre Sprünge ihr Leben gerettet hatten. Dort, wo eben noch das träge Pak-Ma friedlich auf dem Feldweg hinter ihr her getrottet war, hatte sich die Erde geöffnet und nun umklammerten acht riesige Tentakel das Lasttier, das nun in Todesangst schreiend versuchte, sich aus der tödlichen Umklammerung zu befreien. Ein Tempok hatte seine Falle aufgestellt und geduldig auf seine Beute gewartet. Der riesige Jäger war nicht auf Kira oder ihre beiden Begleiter aus gewesen, es war das Pak-Ma, welches ihm auf Wochen einen vollen Bauch bescherenwürde. Ein schneller Blick zur Seite zeigte Kira, das auch Nakang und ihr Meister in sicherer Entfernung auf einen Baum gesprungen waren. Nie würde sie dieses Gefühl vergessen, als sich ihr Blick und der ihres Meisters getroffen hatten. Es
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