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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort
Autoren: Fred Vargas
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warf schnell seinen Knoblauch und versiegelte den Eingang des Grabmals mit Ziegelsteinen.«
    Adamsberg zuckte die Schultern.
    »Man hält einen Vampir nicht mit Ziegelsteinen auf.«
    »In der Tat, die Methode funktionierte nicht. Vier Jahre später ging das Gerücht um, in einem Haus in der Nachbarschaft spuke es, einem alten viktorianischen Gebäude von gotischem Baustil. Der Illuminat durchsuchte das Haus und fand im Keller einen Sarg, den er als denjenigen wiedererkannte, den er vier Jahre zuvor in der Gruft eingemauert hatte.«
    »War ein Körper darin?«, fragte Estalère.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Es gibt noch eine ältere Geschichte, nicht wahr?«, sagte Adamsberg. »Denn sonst hätte Stock nicht solche Angst gehabt.«
    »Die zu erzählen habe ich keine Lust«, grummelte Danglard.
    »Stock aber kennt sie, Commandant. Und zwar so gut, dass wir sie gleichfalls kennen müssen.«
    »Es ist sein Problem.«
    »Nein. Wir haben es auch gesehen. Wann beginnt diese alte Geschichte?«
    »Im Jahr 1862«, entgegnete Danglard widerwillig. »Dreiundzwanzig Jahre nach der Eröffnung des Friedhofs.«
    »Fahren Sie fort, Commandant.«
    »In dem Jahr wurde eine gewisse Elizabeth Siddal beerdigt. Sie war an einer Überdosis Laudanum gestorben. Die Wunderdroge eines anderen Jahrhunderts«, fügte er zur Erklärung für Estalère hinzu.
    »Ich verstehe.«
    »Ihr Mann war der berühmte Dante Gabriel Rossetti, ein präraffaelitischer Maler und Poet. Elizabeth wurde mit einer Sammlung von Gedichten ihres Gemahls in den Sarg gelegt.«
    »Wir kommen in einer Stunde an«, unterbrach ihn Estalère, plötzlich sehr beunruhigt. »Haben wir noch die Zeit dafür?«
    »Keine Sorge. Sieben Jahre später ließ ihr Gemahl den Sarg wieder öffnen. Von diesem Zwischenfall gibt es zwei Versionen. Die erste besagt, Dante Rossetti habe seine Geste bedauert und wollte die Gedichte wiederhaben, um sie zu veröffentlichen. Der zweiten zufolge hat er den Tod seiner Frau nicht verwinden können, und überdies war er mit einem gefährlichen Mann namens Bram Stoker befreundet. Estalère, hast du schon mal von ihm gehört?«
    »Nein, nie.«
    »Er ist der literarische Schöpfer von Dracula, einem ganz großen Vampir.«
    Estalère runzelte wieder beunruhigt die Brauen.
    »Die Geschichte von Dracula ist eine Fiktion«, erklärte Danglard, »aber man weiß, dass dieses Thema Bram Stoker in krankhafter Weise faszinierte. Er kannte alle Riten, durch die sich Menschen mit jenen, die nie sterben , in Verbindung setzen. Und er war der Freund dieses Dante Rossetti.«
    Hochkonzentriert, auf dass ihm ja nichts entginge, marterte Estalère eine weitere Papierserviette.
    »Willst du einen Schluck Champagner?«, fragte Danglard. »Ich versichere dir, wir haben alle Zeit. Es ist unerfreulich, aber kurz.«
    Estalère warf einen Blick zu Adamsberg hin, der scheinbar unbeteiligt dasaß, und nahm an. Wenn er Danglard schon zuhören wollte, gehörte es sich, dass er auch von seinem Champagner trank.
    »Bram Stoker interessierte sich leidenschaftlich für den Friedhof von Highgate«, fuhr Danglard fort, indem er zugleich die Hostess anhielt. »Dort lässt er Lucy, eine seiner Heldinnen, umherirren und macht damit den Ort berühmt. Oder aber, sagen einige Leute, Stoker wurde von der Entität selbst dazu gedrängt. Nach der zweiten Version war es Stoker, der Dante Rossetti anregte, seine Frau wiederzusehen. Wie auch immer, Dante brach den Sarg sieben Jahre nach ihrem Hinscheiden auf. In dem Augenblick – aber vielleicht schon vorher – tat sich der schwarze Tunnel von Highgate auf.«
    Danglard schwieg, als stünde er im Bann von Dante Rossettis Schatten, schwieg unter Adamsbergs aufmerksamem Blick und Estalères ängstlicher Erwartung.
    »Gut«, sagte Estalère leise. »Er bricht den Sarg auf. Und sieht etwas.«
    »Ja. Er erkennt voller Entsetzen, dass seine Frau unversehrt ist, dass sie noch immer ihre langen roten Haare hat, dass ihre Haut zart und rosig ist und ihre Nägel glänzend, als wäre sie gerade erst gestorben, ja im Gegenteil. Und das, Estalère, ist die Wahrheit. Als wenn diese sieben Jahre ihr gutgetan hätten. Es gab nicht das geringste Anzeichen von Verwesung.«
    »Ist so was denn möglich?«, fragte Estalère und presste seinen Plastikbecher in der Hand.
    »Es ist auf jeden Fall so geschehen. Sie hatte den ›purpurnen‹, ja beinahe allzu frischen Teint der Lebenden. Das ist, ich kann es dir versichern, von Zeugen ausgiebig beschrieben worden.«
    »Aber war
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