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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort
Autoren: Fred Vargas
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einer Waffe. Sie werden auf die Beine zielen und ich aufs Herz. Selbst wenn Sie mich als Erster treffen, schieße ich trotzdem, nicht wahr? Sie haben keine Chance. Die Feinfühligkeit meiner Finger ist unübertroffen und meine Kaltblütigkeit total. In einer derart konkreten Situation ist Ihnen Ihr Zugang zum Unterbewusstsein von keinerlei Nutzen. Im Gegenteil, er verzögert Ihr Handeln nur. Sie machen also den gleichen Fehler wie in Kiseljevo? Gehen allein spazieren? Zur alten Mühle wie auch hierher? Ich weiß«, er hob seine große Hand, »Ihre Nachhut kommt gleich.«
    Der Mann sah auf seine Uhr, dann setzte er sich.
    »Ein paar Minuten haben wir noch. Ich hole den Burschen mühelos ein. Ein paar Minuten nur, damit ich erfahre, was Sie zu mir geführt hat. Ich meine nicht heute Abend, und ich meine nicht die Nachricht, die dieser Trottel von Armel Ihnen geschickt hat. Denn Ihr Sohn ist ein Trottel, das wissen Sie, nicht wahr? Ich meine Ihren Besuch vorgestern in meiner Praxis, wegen Ihres Tinnitus. Ich bin sicher, da wussten Sie es schon, denn Ihr Schädel bot meinen Händen nur Widerstand, nur Opposition. Sie waren nicht mehr mit mir, sondern gegen mich. Wie sind Sie drauf gekommen?«
    »In der Gruft.«
    »Und weiter?«
    Adamsberg sprach mit Mühe. Die Erinnerung an die Gruft, an die in Gesellschaft von Vesna verbrachte Nacht ließ ihn noch immer erbeben. Er versuchte an Veyrenc zu denken, an den Moment, als die Tür aufging, als er Froissys Cognac schluckte.
    »Die kleine Katze«, sagte er dann. »Die Sie zertreten wollten.«
    »Ja. Es hat mir die Zeit dafür gefehlt. Aber das mache ich noch, Adamsberg, ich halte mein Wort immer.«
    »›Ich habe das kleine Katzenvieh mit einem einzigen Stiefeltritt getötet. Es hat mich genervt, dass du mich gezwungen hast, sie zu retten.‹«
    »Stimmt.«
    »Zerk hatte das Kätzchen unter einem Stapel Kisten hervorgeholt. Aber wie konnte er wissen, dass es ein weibliches Tier war? Bei einem Kätzchen, das eine Woche alt war? Unmöglich. Lucio wusste es. Ich wusste es. Und Sie, Doktor, als Sie es behandelt haben. Sie, und nur Sie.«
    »Ja«, sagte Paole, »Ich sehe, das war ein Fehler. Wann sind Sie darauf gekommen? Gleich nachdem ich es gesagt habe?«
    »Nein. Als ich nach Hause zurückkehrte und das Tier sah.«
    »Immer sehr langsam, der Adamsberg.«
    Paole erhob sich, da ertönte der Schuss. Verblüfft sah Adamsberg den Arzt zusammenbrechen. Bauchschuss linksseitig.
    »Ich wollte doch die Beine treffen«, sagte die Stimme von Madame Bourlant verwirrt. »Ich schieße schlecht, mein Gott.«
    Die kleine Frau lief zu dem Mann am Boden, der japste, während Adamsberg seine Waffe aufhob und den Rettungsdienst anrief.
    »Er wird doch wohl nicht sterben?«, fragte sie, indem sie sich leicht über ihn beugte.
    »Ich denke nicht. Die Kugel steckt in den Eingeweiden.«
    »Es ist ja nur eine 32er«, präzisierte Madame Bourlant treuherzig, als hätte sie eine Kleidergröße genannt.
    Paoles Augen suchten den Kommissar.
    »Der Rettungswagen kommt gleich, Paole.«
    »Nennen Sie mich nicht Paole«, befahl der Arzt mit gepresster Stimme. »Es gibt keinen Paole mehr, seit die Macht der Verfluchten erloschen ist. Die Paoles sind gerettet. Sie gehen ab. Verstehen Sie, Adamsberg? Sie gehen und sind frei. Endlich.«
    »Haben Sie sie alle getötet, die Plogojowitz’?«
    »Ich habe sie nicht getötet. Diese Kreaturen vernichten heißt nicht töten. Es sind keine Menschen. Ich helfe der Welt, Kommissar, ich bin Arzt.«
    »Dann sind also auch Sie, Josselin, kein Mensch.«
    »Nicht gänzlich. Aber jetzt ja.«
    »Sie haben sie alle vernichtet?«
    »Die fünf Großen. Es bleiben noch zwei Kauerinnen. Die können nichts wiedererstehen lassen.«
    »Ich sehe nur drei: Pierre Vaudel-Plog, Conrad Plögener und Frau Abster-Plogerstein. Und die Füße von Plogodrescu, aber das ist ein früheres Werk.«
    »Es klingelt«, warf Madame Bourlant schüchtern ein.
    »Das ist der Rettungsdienst, gehen Sie öffnen.«
    »Und wenn es nicht der Rettungsdienst ist?«
    »Es ist der Rettungsdienst. Nun gehen Sie schon, verdammt.«
    Die kleine Frau gehorchte, wieder leise auf die Polizei schimpfend.
    »Wer ist das?«
    »Die Nachbarin.«
    »Von wo hat sie geschossen?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Loš a sreća.«
    »Die beiden anderen, Doktor? Die beiden anderen Menschen, die Sie getötet haben?«
    »Ich habe keinen Menschen getötet.«
    »Die beiden anderen Kreaturen?«
    »Der ganz Große, Plogan, und seine Tochter.
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