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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan
Autoren: Heinrich Mann
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mit so langem Winken und Empfangen? Ein ganzes Volk, sollte man glauben, und welchen Wesens, daß es durch sein Kommen dies geisterhafte Glück hervorrief in den Zügen des alten Buck?
    Da erschrak er, als sei er einem Fremden begegnet, der Grauen mitbrachte: erschrak und rang nach Atem. Diederich, ihm gegenüber, machte sich noch strammer, wölbte die schwarz-weiß-rote Schärpe, streckte die Orden vor, und für alle Fälle blitzte er. Der Alte ließ auf einmal den Kopf fallen, tief vornüber fiel er, ganz wie gebrochen. Die Seinen schrien auf. Vom Entsetzen gedämpft, rief die Frau des Ältesten: »Er hat etwas gesehen! Er hat den Teufel gesehen!« Judith Lauer stand langsam auf und schloß die Tür. Diederich war schon entwichen.

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Editorische Notiz

    »Auch die Romane, in denen ich das Zeitalter besichtigte, brauchten viel Weile, ein hartnäckiges Verweilen.« — In der Rückschau seines Memoirenwerkes Ein Zeitalter wird besichtigt (1946) erinnerte sich Heinrich Mann daran, wie lange und intensiv er sich mit dem Untertan beschäftigt hatte. Seit 1906 — so der Autor — habe er »den Roman des bürgerlichen Deutschen unter der Regierung Wilhelms des Zweiten dokumentiert«; aus den Briefen an den Lübecker Schulfreund Ludwig Ewers wissen wir, daß er bereits 1904 den Stoffkreis des Untertan gefunden hatte. Die Idee, besonders die der Hauptfigur, entstand jedoch erst 1906, im selben Jahr, in dem auch die eigentliche ›Dokumentation‹ in Heinrich Manns Notizbüchern beginnt, die in seinem Nachlaß (Stiftung Archiv der Akademie der Künste zu Berlin) erhalten sind.
    Diese Notizen zeigen den Roman bereits deutlich in seiner Struktur. Die Hauptfigur steht dem Autor als »interessante[r] Typus«, also als repräsentative Gestalt, klar vor Augen, ebenso die Handlungsstruktur im Groben als die eines Bildungs- oder Entwicklungsromans, die es ermöglicht, den Deformationsprozeß des Helden zu zeigen und die sich daraus ergebenden Folgen zu motivieren. Die Stationen des Romans sind bereits ebenso vorhanden wie einige Figurenkonstellationen (z.B. Diederich — Agnes), während mehrere Handlungsstränge, Nebenfiguren und Motive noch fehlen. Wichtige Darstellungsebenen scheinen nur ansatzweise auf, so die Beziehungen Diederichs zu den beiden Bucks; das Beziehungs- und Spiegelungsgeflecht ›Diederich — Kaiser‹ ist noch kaum ausgebildet. Die Zeitspanne, die der Roman durchlaufen sollte, ist in den Notizen noch weiter bemessen, da Diederich als fünfundvierzigjähriger Familienvater mit erwachsenen Töchtern auftreten sollte. Dieses Zeit- und Handlungssegment hat Heinrich Mann in die Novelle Gretchen und später in den Roman Die Armen verlagert. Gretchen wurde im Januar 1907 niedergeschrieben und 1908 veröffentlicht, während Die Armen von Sommer 1916 bis April 1917 entstanden.
    Heinrich Mann selbst hat mehrmals angegeben, den Roman in den Jahren 1912-1914 niedergeschrieben zu haben ; dies trifft nur bedingt zu, wenn man seine Aussage im Brief an Ludwig Ewers vom 12. Juni 1907 ernst nimmt: »[...] und heute habe ich die ersten Sätze geschrieben«. Hinzu kommt, daß bereits Ende 1911 das erste Kapitel und bis September 1912 auch das zweite Kapitel in verschiedenen Episoden in Zeitschriften erschienen. Insgesamt läßt sich jedoch der Verlauf des überwiegenden Teiles der Niederschrift in Heinrich Manns brieflichen Äußerungen ab Anfang 1912 sehr gut verfolgen; auch wie er sich durch seine Korrespondenz Informationen verschaffte, um »ziemlich gut fundiert« auch Details beschreiben zu können.
    Das mit Tinte geschriebene Manuskript des Romans, das noch den später fortgefallenen Untertitel Geschichte der öffentlichen Seele unter Wilhelm II. trägt, ist vollständig mit 431 Blatt erhalten. In ihm finden sich zu Beginn des Romans noch Teil- und Kapitelüberschriften, die später von Heinrich Mann aber nicht in die Drucke übernommen wurden. So sollte ein »Erster Theil«, der die ersten beiden Kapitel umfaßte, den Titel »Die Macht« tragen, ein weiterer »Die Eroberung von Netzig«. Heinrich Mann hat nach diesen beiden Teilüberschriften dieses den Inhalt charakterisierende Gliederungsprinzip von Überschriften aufgegeben, das er etwa im Schlaraffenland, später auch in den Armen, im Kopf und besonders im Henri Quatre so virtuos handhabte. Daneben sind im Manuskript noch drei Kapitelüberschriften vom Autor gesetzt worden: »Lebensfrühling« (1. Kapitel), »Eine Jugendliebe« (2. Kapitel) und »Ein
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