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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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Buch über den Sklavenhandel. Ich bin unfähig, ein Buch mit neunhundert Seiten zu lesen. Redete mit Julia über den täglichen Quatsch. So um zwei Uhr nachmittags packten wir zusammen und machten uns auf den Heimweg.
    Wir liefen durch den Sand. Julia wollte direkt zur Straße, den 400er-Bus nehmen und nach Havanna zurückfahren. Doch es reizte mich, die Frau noch einmal zu sehen. Das schwarze Kraushaarbüschel zwischen den Beinen war sehr aufreizend. Ich stellte mir den Geruch vor, der davon ausging, und bekam eine Erektion.
    »Lass uns bei der Cafeteria vorbeigehen und den Leuten guten Tag sagen.«
    »Wozu das denn? Nee, Mann, nee!«
    »Nur so. Aus Neugier.«
    »Seit wann bist du denn so neugierig?«
    »Der Typ war mal Boxer. Ist doch interessant. Nur zum Guten-Tag-Sagen.«
    Wir gingen auf die Cafeteria zu. Ein ziemlich großes, verrammeltes Gebäude. Vor den Fenstern sind von der Salzluft zerfressene Eisengitter, im Sand davor liegt viel Müll unter drei oder vier Kokospalmen. Es scheint seit Jahren leer zu stehen. Total vergammelt. Sieht nicht so aus, als könnte da drin jemand leben. Julia sagt:
    »Du willst doch nur …«
    »Komm schon, Mädchen, komm. Stell dich nicht so an.«
    »Dir ist nicht zu helfen.«
    »Na komm schon.«
    »Nein. Ich warte hier auf dich. Beeil dich.«
    Sie läuft zum Wasser hinüber. Sie ist Mikrobiologin. Sieht überall Bakterien, Mikroben, Viren und Bazillen. Ich habe eine eher poetische Sicht der Welt. Hab noch nie durch ein Mikroskop oder ein Teleskop geschaut. Würde ich wahrscheinlich noch viel mehr Angst kriegen.
    Ich gehe auf die Tür der Cafeteria zu. Sie hat kein Schloss. Drinnen ist es dunkel. Ich stecke den Kopf hinein, versuche, etwas zu erkennen. Es stinkt nach toten Mäusen. Der Innenraum ist riesig groß, feucht, nach allen Seiten verrammelt und heruntergekommen. In der Mitte steht Brackwasser in einer Pfütze. Links liegen auf Feldbetten und Matratzen die drei Kinder und Elíades. Sie schlafen. Hinten im Raum sitzt eine schmutzige alte Frau, gegen die Wand gelehnt, auf einem Holzkasten. Sie schaut mich an und sagt nichts. Rührt sich überhaupt nicht. Ich grüße:
    »Guten Tag.«
    Sie nimmt keine Notiz von mir.
    »Ich wollte Elíades besuchen.«
    Vielleicht ist sie taub. Sie sieht stur geradeaus, spricht nicht. Ich rufe nach Elíades:
    »Elíades, hör mal, Elíades!«
    Er schläft tief und fest. Ich gehe zu ihm hinüber. Als ich den Raum betrete, wird der Gestank nach toten Mäusen stärker. Das Brackwasser stinkt auch. Ich versuche, die Luft anzuhalten. Ich schüttle Elíades und rufe seinen Namen. Langsam öffnet er die Augen. Erkennt mich. Richtet sich auf. Von weitem hat es so ausgesehen, als schliefe er auf einer am Boden liegenden Matratze. Nein. Es sind verdreckte Pappkartons. Er reibt sich die Augen und lächelt mich an:
    »Hallo, Kumpel. Wie sieht’s aus? Ich dachte, du kommst nich, und hab die selbst leer getrunken.«
    Er zeigt auf eine leere Flasche am Boden. Seine Augen sind glasig.
    »Hast du gut gemacht. Ich bin spät dran.«
    »Wie viel Uhr ist es?«
    »Fast drei.«
    »Nachmittags?«
    »Ja.«
    Er schaut sich suchend um.
    »Und die ist immer noch verschwunden. Immer das Gleiche.«
    »Die Frau da ist ihre Mutter?«
    »Ja, aber die Alte ist durchgeknallt. Und der Alte genauso. Muss da draußen rumlaufen. Bettelt immer die Touristen an, um ein paar Münzen. Davon leben sie, verstehst du, hahaha.«
    »Sie spricht nicht?«
    »Manchmal schon, je nachdem, wie’s ihr grad geht. Sind beide nich mehr ganz dicht.«
    In diesem Augenblick kam ein sehr alter, zerlumpter Mann herein. Ein totales Wrack. Anscheinend hatte er seit Jahren nicht mehr die Kleider gewechselt oder sich gewaschen. Er kam auf uns zu, streckte die Hand nach Münzen aus und sagte:
    »Hast du Nelson gesehen, den Bettler?«
    »Wie?«, fragte ich.
    »Hast du Nelson gesehen, den Bettler?«
    Elíades mischte sich ein:
    »Schon gut, Alter, schon gut. Wir haben keine Münzen, also hör auf zu nerven. Geh zum Teufel. Komm, Kumpel, lass uns nach draußen gehen.«
    Wir gingen nach draußen. Unter den Kokospalmen blieben wir stehen. Elíades blickte zu den Menschen am Strand hinüber. Ich überlegte, ob ich ein bisschen Rum kaufen sollte, damit wir uns dort hinsetzen könnten, trinken und reden. Aber Julia ging langsam am Wasser auf und ab und wartete auf mich. Elíades schlug mit der geballten Faust gegen den Stamm einer Palme:
    »Deshalb komm ich nich gern her. Sie macht das jedes Mal.«
    »Was
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