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Der Unbesiegbare

Der Unbesiegbare

Titel: Der Unbesiegbare
Autoren: Stanislaw Lem
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einen Blick auf den Feldanzeiger. Null. Eigentlich müßte man mit der Fotogrammetrie anfangen, dachte er, den Planeten umkreisen, bis man eine vollständige Aufnahmensammlung hat. Vielleicht ließe sich auf diese Weise etwas entdecken. Denn die visuellen Beobachtungen von der Bahn aus sind nicht viel wert. Ein Kontinent ist kein Meer, und alle Beobachter an den Fernrohren zusammen sind längst kein Matrose im Krähennest. Daß die Sammlung erst in ungefähr einem Monat vollständig wäre, steht auf einem anderen Blatt.
    Der Fahrstuhl kam zurück. Er stieg ein und fuhr zum sechsten Deck hinunter. Die große Plattform vor der Schleusenkammer war gedrängt voll von Menschen, die hier eigentlich nichts mehr zu schaffen hatten, zumal da sich die vier Signale, die die Hauptmahlzeit ankündigten, schon seit etwa einer Viertelstunde wiederholten. Man machte ihm Platz.
    »Jordan und Blank, Sie kommen mit zum Stereotyp.«
    »Volle Schutzausrüstung, Navigator?«
    »Nein, nur die Sauerstoffflaschen. Und einen Roboter. Am besten einen Arctan, der bleibt uns nicht in dem verfluchten Sand stecken. Und ihr, was steht ihr alle hier herum? Hat es euch den Appetit verschlagen?«
    »Wir würden gern an Land gehen, Navigator.«
    »Wenigstens ein paar Minuten …«
    Sie redeten alle durcheinander.
    »Nur die Ruhe bewahren, Jungs. Ihr werdet schon noch Ausflüge machen können. Vorläufig haben wir dritten Grad.«
    Unlustig entfernten sie sich.
    Unterdessen kam aus dem Ladeschacht ein Aufzug mit dem Roboter herauf, der selbst die stattlichsten Männer um Haupteslänge überragte. Jordan und Blank kehrten auf einemElektrokarren zurück, sie hielten die Sauerstoffapparate bereit. Rohan hatte sich gegen das Geländer des Korridors gelehnt, der sich jetzt, da die Rakete auf Heck stand, in einen senkrechten, bis in den ersten Maschinenraum hinabreichenden Stollen verwandelt hatte. Über und unter sich spürte er die weit ausladenden Metallstockwerke, irgendwo in der Tiefe arbeiteten leise die Förderbänder, das schwache Schmatzen der hydraulischen Leitungen war zu hören, und aus dem vierzig Meter tiefen Schacht drang gleichmäßig ein Hauch kalter, gereinigter Luft aus den Klimaanlagen des Maschinenraums herauf.
    Zwei Leute vom Schleusenpersonal öffneten ihnen die Tür. Rohan prüfte instinktiv, ob die Gurte saßen und die Maske anlag. Jordan und Blank traten hinter ihm ein, dann dröhnte das Stahlblech unter den schweren Schritten des Roboters; schneidendes, anhaltendes Zischen der ins Schiffsinnere gesogenen Luft. Die Außenluke sprang auf. Die Maschinenrampe lag vier Stockwerke tiefer. Um dorthin zu gelangen, bedienten sich die Männer eines kleinen Aufzuges, der schon vorher aus dem Raketenmantel hinuntergelassen worden war. Sein Gittergeflecht reichte bis an die Dünenkämme. Der Fahrstuhlkorb war ringsum offen. Die Luft war kaum kühler als im Innern des »Unbesiegbaren«. Zu viert stiegen sie ein, die Magnetbremsen lösten sich, und aus elfstöckiger Höhe glitten die Männer sanft hinab, an den einzelnen Sektionen des Schiffskörpers vorbei. Rohan musterte sie unwillkürlich. Es geschieht nicht allzuoft, daß man ein Raumschiff von außen betrachten kann – außer auf der Werft. Ganz schön mitgenommen, dachte er, als er die Risse sah, die von Meteorentreffern stammten. An manchen Stellen hatten die Panzerplatten den Glanz verloren, als wären sie von starker Säure zerfressen. Der Fahrstuhl beendete die kurze Reise und setzte weich auf einem angewehten Sandhügel auf. Sie sprangen hinaus und sankengleich bis über die Knie ein. Nur der für Untersuchungen in verschneitem Gelände bestimmte Roboter bewegte sich mit komisch watschelnden, aber sicheren Schritten auf seinen lächerlich platten Füßen vorwärts. Rohan befahl ihm stehenzubleiben, dann musterten er und die beiden anderen die Mündungen der Heckdüsen, soweit sie von außen herankonnten.
    »Die sollten wieder mal geschliffen und durchgeblasen werden. Das würde nicht schaden«, sagte er.
    Erst als er unter dem Heck hervorkroch, bemerkte er, welch riesigen Schatten das Raumschiff warf. Wie eine breite Straße lief er über die Dünen, auf denen das Licht der schon tiefstehenden Sonne lag. Die Gleichmäßigkeit der Sandwellen strömte eine eigenartige Ruhe aus. Auf ihrem Grunde sammelten sich blaue Schatten, rosiger Dämmerschein überzog die Grate, und dieses warme, zarte Rosa erinnerte ihn an Farben, wie er sie von früher aus Bilderbüchern kannte. So unglaublich weich
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