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Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Titel: Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)
Autoren: Ilija Trojanow
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Zeit auf neun Milliarden anwachsen werde, um zehn bis fünfzehn Prozent verringert werden könnte. Das ist eine erstaunliche Aussage, denn medizinische Fortschritte führen zwar tatsächlich zu einer Bremsung des Bevölkerungswachstums – ebenso wie soziokulturelle Entwicklungen wie etwa bessere Bildung für Frauen (siehe das Beispiel des indischen Bundesstaates Kerala) oder weitverbreiteter Wohlstand (siehe etwa die skandinavischen Länder) –, keineswegs aber zu einer drastischen Schrumpfung der Bevölkerung um eine Milliarde. Man könnte diese Milchmädchenrechnung als exzentrische Verirrung eines unermesslich wohlhabenden Individuums abtun, wäre die Bill & Melinda Gates Foundation nicht zweitgrößter Geldgeber der WHO (der Weltgesundheitsorganisation), die sich zudem ausbedungen hat, über die Verwendung der gespendeten Mittel eigenmächtig zu entscheiden, und hätte diese Stiftung nicht nur massiv in Monsanto-Aktien investiert, sondern auch ein Projekt mit dem Agrarkonzern Cargill initiiert, um in Mosambik genmanipuliertes Sojasaatgut zu etablieren, gegen starken Widerstand der Einheimischen, die sich auch weigerten, genmanipulierte Nahrungsmittelhilfe von USAid anzunehmen, aus der Erkenntnis heraus, dass sie in die Abhängigkeit von Großkonzernen getrieben werden. Da weder Monsanto noch Cargill die Interessen afrikanischer Kleinbauern im Auge haben, sondern allein die immensen Profite, die sich mit Hightech-Landwirtschaft und Marktmanipulation machen lassen, wäre der Weg vorgezeichnet, wie das Plansoll einer Bevölkerungsverringerung um bis zu fünfzehn Prozent erfolgreich bewältigt werden kann: durch eine globale Kontrolle über die Nahrungsmittel, die nur für jene vorgesehen sind, die eine wertvolle Funktion ausfüllen oder über eine gedeckte Kreditkarte verfügen.
    Neomalthusianer haben nicht nur in den USA Hochkonjunktur. Die russische Zeitschrift Ekologitscheski Postmodern (Ökologische Postmoderne) publizierte vor einigen Jahren einen Bericht zu diesem Thema, der unter anderem eine Tabelle für das Jahr 2007 über »Länder der Welt mit überflüssiger Bevölkerung« enthielt, definiert gemäß den oben skizzierten, rein ökonomischen Kriterien: als überflüssig gilt derjenige, dessen Arbeitskraft in den kapitalistischen Kreisläufen nicht profitabel genutzt werden kann. In dieser Statistik werden insgesamt 107 Staaten aufgeführt, in denen über 80 Prozent der Weltbevölkerung beheimatet sind, alles in allem 5470982000 Seelen, bei einer »biologisch zulässigen Bevölkerung« von 1922121200. (Wie diese Zahl berechnet worden ist, wird verschwiegen.) Die »Überbevölkerung« beträgt demnach 3548860800. Das war 1965, dem Jahr, in dem ich geboren wurde, die Zahl aller Erdbewohner. Einen besonders kräftigen Menschenüberschuss verzeichnen China (860 Millionen) und Indien (938 Millionen), sodass dort Menscheneinsparungen der ganz speziellen Art erforderlich werden dürften. Ebenso auffällig ist, dass in dieser Aufzählung der Überflüssigen weder Russen noch US-Amerikaner auftauchen. Denn überflüssig sind immer nur die anderen. So wie auch jene, die in passionierten Reden auf internationalen Kongressen eine freiwillige Beschränkung jedes Paares auf ein Kind fordern, selbst eifrig für Nachwuchs sorgen: Ted Turner hat fünf, Bill Gates drei Kinder.

Schuld haben immer nur die anderen
    Entgegen den landläufigen Vermutungen sind die hochindustrialisierten, wohlhabenden Länder weiterhin die am dichtesten besiedelten. Monaco ist mit rund 15250 Einwohnern pro Quadratkilometer weltweiter Spitzenreiter. Und dort darben, wie wir alle wissen, viele arme Flüchtlinge mitsamt ihrem zahlreichen Nachwuchs. Zwar führt unter den größeren Staaten Bangladesch die betreffende Liste an mit 1084,2 Einwohnern pro Quadratkilometer, doch dahinter folgen entwickelte Länder wie Taiwan mit 616 und die Niederlande mit 488 Einwohnern pro Quadratkilometer – somit der überfüllteste Staat der Europäischen Union, die einen Durchschnitt von 116,8 Einwohnern aufweist –, Afrika hingegen einen von 34,9 und Südamerika einen von nur 22,4. Selbst wenn alle Chinesen und alle Inder in die USA immigrieren würden, wäre dieses Land weniger dicht besiedelt als England. Und doch vernehmen wir selten Warnrufe, die Niederlande oder England seien überbevölkert. Was ist der Unterschied zwischen uns und den anderen? Ganz einfach: Von den anderen gibt es zu viele, von uns kann es nicht genügend geben.
    Wie sieht es mit dem
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