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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf
Autoren: Emmy von Rhoden
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aus deiner Täuschung und giebt dir den Beweis, daß sie kein Kind mehr ist.« 
    »Ich verstehe dich nicht, liebe Anne,« sagte der Oberamtmann und sah seine Frau fragend an, »du sprichst so geheimnisvoll und machst mich neugierig.« 
    »Ich habe eine Beobachtung gemacht und glaube nicht, daß ich mich täusche. Der junge Gontrau ist Ilse nicht gleichgültig geblieben.« 
    Sprachlos blickte Herr Macket seine Frau an. Eine solche Möglichkeit zu fassen, war er nicht im stande, sie war ihm noch niemals in den Sinn gekommen. 
    »Du irrst, Anne,« sprach er endlich, »das ist geradezu unmöglich. Oder,« fügte er besorgt hinzu, »hat sie dir etwa ein Geständnis abgelegt?« 
    »Behüte Gott,« wehrte Frau Anne ab, »wo denkst du hin? Ilses Herz ist wie eine Sinnpflanze, die ihre Blätter schließt bei der leisesten Berührung. Noch weiß und ahnt sie selbst nichts von ihren Gefühlen, in ihrer kindlichen Unbefangenheit hat sie mir ihr Geheimnis verraten. Sie spricht gern und oft von Gontraus und weilt am liebsten in ihrer Erinnerung bei dem Sohne, von dem sie ausführlich jede Kleinigkeit erzählt. Du müßtest sie hören, wenn sie die Erkennungsszene am Bahnhof in Lindenhof erzählt, und sehen, wie ihre Augen dabei strahlen.« 
    »Nun ja,« fiel er ihr ins Wort, »das war romantisch! Du bist eine so kluge Frau, mein Annchen, weißt du denn nicht, daß alle Backfischchen gern schwärmen?« 
    »Höre nur weiter zu, Richard. Neulich fragte sie mich ganz aus dem Stegreife, ob ich den Namen ›Leo‹ schön fände, und ob Juristen kluge Menschen wären? Den Rosenstrauß, den sie bei ihrem Abschied erhielt, hat sie aufbewahrt. Als neulich die Hausmagd denselben wegwerfen wollte, ward sie fast ärgerlich. Sie nahm ihr denselben aus der Hand und steckte die vertrockneten Blumen in eine Vase, die heute noch auf ihrem Schreibtische steht.« 
    »Ist das alles, was du weißt?« lachte der Oberamtmann vergnügt und auch sehr erleichtert, »dann muß ich dir sagen, liebes Kind, daß deine Beobachtungen auf sehr wacklichen Füßen stehen. Ich kenne meinen Wildfang besser und weiß, daß er noch fern von solchen Allotrias ist. Ilschen verliebt! Ha, ha, ha! Vergieb, Frauchen, daß ich dich auslache, aber ich kann nicht anders!« 
    Sie mochte nicht weiter seine sichere Unbefangenheit stören und brach das Gespräch ab. »Was kommen soll, kommt doch,« dachte sie, »und wer kann sagen, wie bald!« – Wenige Tage nach diesem Gespräche fand das Erntefest statt. Frau Macket und Ilse befanden sich am Morgen dieses Tages in dem großen Gartensaale. Sie ordneten noch hier und da einiges an der gedeckten Tafel, die festlich geschmückt und zum Empfange vieler Gäste bereit stand. Ilse beschäftigte sich damit, die Vasen mit Blumen zu füllen. Es war ihr so vergnügt und froh um das Herz und singend und trällernd verrichtete sie ihre Arbeit. 
    »Mama,« unterbrach sie sich plötzlich, »weißt du, daß ich eigentlich recht betrübt heute bin?« 
    »Nein,« entgegnete die Angeredete lächelnd, »davon habe ich noch nichts gemerkt. Weshalb wolltest du auch betrübt sein?« 
    »Weil Nellie mir nicht geschrieben hat. Ich habe sie so herzlich zu unsrem Erntefeste eingeladen und sie hat mir keine Antwort darauf gegeben. Heute sind es sechs Tage, daß ich ihr schrieb.« 
    »Sie wird keine Erlaubnis erhalten haben, Kind. Du zweifeltest selbst daran, hast du das vergessen? Es wird ihr sehr schwer werden, dir der Vorsteherin abschlägige Antwort mitzuteilen. Oder sollte sie dich heute unangemeldet überraschen?« 
    »Das wäre famos, himmlisch! Gontraus und Nellie hier – dann wären alle meine Wünsche erfüllt! Aber daran ist nicht zu denken, Fräulein Raimar erlaubt das auf keinen Fall. Nellie muß immer lernen und immer lernen. Ach Mama! Es muß furchtbar schrecklich sein, eine Gouvernante zu werden! Findest du nicht auch?« 
    Frau Anne versuchte, Ilse von ihrem Vorurteile zu heilen, aber vergeblich. Sie blieb dabei, Gouvernanten könnten nur alte Mädchen werden und ihre Nellie passe gar nicht dazu. 
    Plaudernd und singend hatte Ilse endlich sämtliche Vasen gefüllt und auf der Tafel verteilt. Sie stand noch bewundernd vor ihrem Werke, als die Mutter sie antrieb, sich anzukleiden. 
    »Es ist hohe Zeit, Ilse, wir müssen uns eilen, in einer Stunde wird Papa mit Gontraus zurück sein.« 
    Wie ein Vogel flog Ilse die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Kaum hatte sie indessen mit ihrer Toilette begonnen, als ihr die Magd einen Brief
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