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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf
Autoren: Emmy von Rhoden
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überbrachte, den der Briefträger soeben für sie abgegeben hatte. Er war von Nellie. Sie erbrach ihn sofort und las. 
    Die ersten Worte schon brachten sie in eine lebhafte Aufregung, kaum vermochte sie weiter zu lesen. Mit stockendem Atem überflog sie die Zeilen, und als sie zu Ende war, eilte sie mit dem Briefe hinunter in der Mutter Gemach. Sie hätte es nicht ausgehalten, die wichtige Neuigkeit, die sie eben erhalten, länger für sich zu behalten. 
    »Mama!« rief sie ganz atemlos, »ein Brief von Nellie! Ich muß ihn dir vorlesen!« – Und sie begann:     
     »Mein süß Ilschen! 
    »Ich bin eine Braut! O! und ein sehr glückliches Braut! Errätst Du, mit wem? Ja? O Ilse, Doktor Althoff ist meiner liebe, liebe Schatz! Ich möchte gleich Deine liebes Gesicht schauen, wenn Du diese groß Ereignis liest, ich sehe, wie Du Dein braun Lockenkopf schüttelst und höre Dir rufen: ›Nellie will mir pfoppen!‹ Aber nein, sie pfoppt Dir nicht, alles, was sie heute schreibt, ist wahr. Du sollst alles wissen, meine liebe Freundin, ich will erzählen, wie es kam. O, es ist ein schwer’ Aufgabe für mich, – ich bin so zerwirrt vom Glück und ich finde mir so schlecht zurecht mit der deutsch Sprache. Du mußt Geduld mit Dein Nellie haben, die eigentlich sehr dumm ist! Ich schäm’ mir, Ilse, wenn ich denke an mein furchtbaren Dummheit. Es ist mir ein Rätsel, wie Alfred mir lieb haben kann. – Doch still darüber. – Höre weiter. 
    »Mit Dein lieber Brief, den Du mir schriebst, wo Du mir zu Dein Erntefest einladest, kam ein andern Brief an Fräulein Raimar. Als ich nun begriffen war, in ihr Zimmer zu steigen, um sie recht für die Erlaubnis zu bitten, tritt sie ganz plötzlich – ohne Anmeldung bei mir ein. Das war ein Wunder, denn sie macht uns niemals ein Visite, immer läßt sie uns rufen, wenn sie einiges von uns will. Ich errötete vor Schreck, Du kannst denken. ›Nellie,‹ spricht sie und hält ein offner Brief in ihr Hand, ›dieses Schreiben hier enthält die Anfrage an mir, ob ich nicht ein junge Engländerin zu sofortiger Antritt empfehlen kann. Vollkommen deutsch braucht diese nicht zu sprechen, sie soll nur die drei Kinder englisch beibringen. Ich denke Dir vorzuschlagen, Nellie, bist Du einverstanden? Die Dame bietet hohe Gehalt.‹ 
    »Ich glaube, daß ich ein sehr traurig Gesicht machte zu ihr Vorschlag und ich konnte auch gar nix sagen. Dein Brief hielt ich noch in die Hand, aber ich habe nicht gewagt, Fräulein Raimar zu sprechen, sie hätte doch mein Bitten abgeschlagen. 
    »›Du hast wohl keine Lust,‹ fragte sie, weil ich schweigend war. 
    »›O, gar keine Lust,‹ dacht’ ich, aber ich durft’ nicht sagen, wie furchtbar schrecklich mich der Gedanke war, ein Vierteldutzend Kinder zu unterrichten. Immer so weise und artig sein, – immer so mit der guten Beispiel vorangehn – nein, das macht mir gar nicht Spaß. 
    »›Bestimmen Sie für mir, Fräulein,‹ sagte ich, ›ich werde thun, wie Sie denken. Werde ich aber klug genug sein, zu ein’ so großer Aufgabe?‹ 
    »›Laß das meine Sorgen sein,‹ sagte Fräulein Raimar sehr bestimmend, ›ich würde Dich nicht empfehlen, wenn ich nicht wüßte, daß Du diese Stellung vollkommen erfüllen kannst.‹ 
    »Damit verließ sie mir und ich blieb tief betrübt zurück. 
    »Die Zubereitung für mein Abreise wurde gemacht und ich hatte viel zu thun, o – und viel zu hören! 
    »Miß Lead hielt langen, strengen Predigten und vorbereitete mich zu eine würdige Gouvernante. Fräulein Raimar mahnte mir täglich zu Ernst und Gediegenheit, nur Fräulein Güssow sah mir oft mit ein lang traurigen Blick an, der zu mich sprach: Thust mich leid, Darling, daß Du unter fremde Leute dienen mußt. 
    »Der ernste Abschiedstag war da. Es war der achtundzwanzigste September, morgens 11 Uhr, ein Stunde vor meine Abreise. Ich saß in mein Zimmer auf mein Reisekoffer und weinte. Ich war so gefüllt von Kummer, das Herz drückte mir so schwer wie ein Mühlstein in der Brust. Kannst Du Dich das vorstellen? Nein, süß Ilschen, Du kannst nicht. Als Du von uns gingst, weintest Du auch und warst sehr betrübt, aber Du kehrtest in ein liebe Vaterhaus heim und Deine Eltern trocknete Deine Thräne, – wer trocknet meine? Niemand. Ich ging fort in die Fremde und ›ka Katzerl, ka Hunderl‹ kümmert sich um mir. Ich wünschte mir tot zu liegen, wie unsre süße Lilli. 
    »Wie ich mir so ganz verlassen fühle und laut schluchze, steht plötzlich
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