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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf
Autoren: Emmy von Rhoden
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Eigensinne den Willen aus Furcht, von neuem Thränen hervorzulocken. Aber Ilses Widerstand war ihm im höchsten Grade peinlich. Was sollte Fräulein Raimar denken! 
    Eine Viertelstunde darauf standen Vater und Tochter vor einem stattlichen, zweistöckigen Hause, das vor dem Thore der kleinen Stadt mitten im Grünen lag; es war das Institut des Fräulein Raimar. 
    Der Oberamtmann blieb überrascht davor stehen. »Sieh Ilse, welch ein schönes Gebäude!« rief er höchst befriedigt. »Der Blick von hier aus in die nahen Berge ist geradezu bezaubernd.« 
    Was kümmerten sie die Berge! Sie fühlte sich so gedrückt von Kummer, daß ihr die ganze Welt ein Jammerthal dünkte. 
    »Wie kannst du dies Haus schön finden, Papa,« entgegnete sie. »Wie ein Gefängnis sieht es aus.« 
    Herr Macket lachte. »Betrachte doch die hohen, breiten Fenster, Kind,« sagte er. »Glaubst du, daß in einem Gefängnisse ähnliche zu finden sind? Die armen Gefangenen sitzen hinter kleinen, blinden Scheiben, die außerdem noch mit einem Eisengitter versehen sind.« 
    »Ich werde jetzt auch eine Gefangene sein, Papa, und du selbst lieferst mich in dem Gefängnisse ab.« 
    »Du bist eine kleine Närrin!« lachte er und brach das Gespräch, das ihm bedenklich zu werden schien, ab. 
    Er stieg die breiten, steinernen Stufen, die zu dem Eingange führten, hinauf und zog an der Klingel. Ilse, die ihm langsam gefolgt war, schrak unwillkürlich zusammen, als sie den hellen Schall im Hause vernahm. 
    Gleich darauf wurde die Thür von einer Magd geöffnet. Nachdem dieselbe die Angekommenen gemeldet hatte, wurden sie in das Empfangszimmer der Vorsteherin geführt. 
    Bevor sie dasselbe erreichten, mußten sie den Hausflur und einen langen Korridor, von welchem zwei Ausgänge in einen schönen, großen Hof führten, durchschreiten. Es war gerade die Frühstückspause in der Schule und so war es natürlich, daß überall lachend und plaudernd große und kleine Mädchen umherstanden. Sie verstummten, als sie die neue Pensionärin, von der sie wußten, daß sie heute ankommen werde, erblickten, und aller Augen richteten sich auf Ilse, der es plötzlich höchst beklommen zu Mute wurde. Es schien ihr, als höre sie verstecktes Kichern hinter sich und sie war herzlich froh, als die Thür in dem Empfangszimmer sich hinter ihr schloß. Noch war dasselbe leer. 
    Ilse blickte sich um, und in diesem großen, vornehmen Raume, der künstlerisch und elegant zugleich eingerichtet war, stieg mit einem Male ein etwas banges Gefühl in ihr auf wegen Bob, sie wünschte fast, des Vaters Willen gefolgt zu sein. Hätte sie den Hund in ihrem Arme plötzlich unsichtbar machen können, sie hätte es gethan. Nun wollte der Unartige auch noch herunter auf den Boden, und diesen Wunsch konnte sie ihm doch unmöglich erfüllen, wie hätte sie wagen dürfen, ihn auf den kostbaren Teppich, der durch das Zimmer gebreitet lag, herab zu lassen! 
    Die Thür öffnete sich und Fräulein Raimar trat ein. Sie begrüßte Herrn Macket mit steifer Freundlichkeit, dann blickte sie mit ihren stahlgrauen Augen, die einen zwar strengen, ernsten, trotzdem aber gewinnenden Ausdruck hatten, auf Ilse. Diese war dicht an den Vater getreten und hatte seine Hand ergriffen. 
    »Sei willkommen, mein Kind!« Mit diesen Worten begrüßte die Vorsteherin Ilse und reichte ihr die Hand. »Ich denke, du wirst dich bald bei uns heimisch fühlen.« Als sie den Hund sah, fragte sie: »Hat dich dein Hund bis hierher begleitet?« 
    Ilse blickte etwas hilflos den Papa an, der dann auch für sie das Wort nahm. »Sie mochte sich nicht von ihm trennen, Fräulein Raimar,« sagte er etwas verlegen, »sie glaubte, daß Sie die Güte haben würden, ihren kleinen Kameraden mit ihr aufzunehmen.« 
    Das Fräulein lächelte. Es war das erste Mal, daß man ihr eine solche Zumutung machte. »Es thut mir leid, Herr Oberamtmann,« sagte sie, »daß ich den ersten Wunsch Ilses rücksichtslos abschlagen muß. Sie wird verständig sein und einsehen, daß ich nicht anders handeln kann. Stelle dir einmal vor, liebes Kind, wenn alle meine Pensionärinnen den gleichen Wunsch hätten, dann würden zweiundzwanzig Hunde im Institute sein. Welch ein Spektakel würde das geben! Möchtest du das Tier gern in deiner Nähe behalten, so wüßte ich einen Ausweg. Mein Bruder, der Bürgermeister hier, wird deinen Hund gewiß aufnehmen, wenn ich ihn darum bitte; dann kannst du täglich deinen Liebling sehen.« 
    Ilse war rot geworden und
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