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Der transparente Mann (German Edition)

Der transparente Mann (German Edition)

Titel: Der transparente Mann (German Edition)
Autoren: Andrea Sixt , Barbara Wilde
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Premier-Champagner versteckte sich noch in seinem kühlen Verlies, um zur Feier des Tages um Mitternacht in den kristallenen Flöten rosig zu perlen.
    Alf und Thomas hatten sich schwer in Schale geworfen. Alf trug sein augenblickliches Lieblingshemd. Es war weiß und mit Rosen bestickt, die in weichen Pastelltönen schimmerten. Die Hose, die er dazu trug, war ebenfalls weiß. Seit Alf nämlich gelesen hatte, dass diese Farbe die Aura verstärkte, lief er nur noch in Weiß herum. Thomas hingegen liebte nach wie vor das Klassische. Er trug Schwarz-Weiß, einen dunklen Anzug mit Nadelstreifen und dazu ein schlichtes weißes Hemd. Das Ganze hatte schon etwas sehr, sehr Feierliches, und alle strahlten in Vorfreude auf den kommenden Abend. Joe war das feierliche Ambiente fast einen Tick zu viel, aber Alf und Thomas hatten darauf bestanden.
    »Wir feiern schließlich in einen ganz besonderen Tag hinein«, hatte Alf erklärt, denn sie hatten nicht nur auf Joes achtundzwanzigsten Geburtstag, sondern auch auf ihren ersten beruflichen Erfolg und die damit verbundene Anerkennung ihres Vaters anzustoßen. Der nämlich hatte endlich die längst fällige Prämie in bar ausbezahlt, und zu Joes Überraschung hatte er den verabredeten Betrag aufgrund ihrer tollen Arbeit sogar verdoppelt.
    Joe fühlte sich so gut wie lange nicht mehr. Der Tag hatte am späten Vormittag auf dem Viktualienmarkt begonnen. Sie liebte es, zwischen den kleinen Häusern und Ständen herumzuschlendern und in die bunte und duftende Vielfalt der lockenden Schlemmereien einzutauchen. Genauso stellte sie sich das Schlaraffenland vor. Danach hatte sie in mehreren Boutiquen, die sich in der Fußgängerzone aneinander reihten, nach fetzigen Klamotten gestöbert. In ihrem neuen Kleid aus feinem, transparentem Stoff, der in mehreren Schichten, von Türkis bis Königsblau changierend, um ihren Körper floss, gefiel sie sich richtig gut. Es war perfekt für diesen Anlass! Sogar ihre Haare hatten einen neuen Schnitt und waren durch Strähnchen aufgepeppt. Eine Anregung von Thomas, das Resultat konnte sich sehen lassen. Von der Länge hatten ihre Haare zwar kaum etwas eingebüßt, aber sie fielen nun in langen Stufen weich und kupfergolden schimmernd über ihre Schultern. Joe sah hinreißend aus. Jedes Mal, wenn sie Teller, Besteck oder Gläser von der Küche ins Wohnzimmer trug, blieb ihr Blick an dem großen Spiegel im Flur hängen. Normalerweise war sie nicht so eitel. Aber heute konnte sie sich an ihrem Spiegelbild kaum satt sehen.
    Es war acht Uhr am Abend. Sämtliche Kerzen brannten. Das Essen war fertig, und alles stand an seinem Platz. Jetzt konnte Marc kommen.
    Um neun Uhr wurde Joe zunehmend unruhiger. Wo blieb er nur? Nun ja, musste sie sich eingestehen, ihre Geburtstagseinladung auf seinem Band hatte ja auch mehr nach einer lockeren Party geklungen, zu der man jederzeit dazustoßen konnte, und nicht nach einem feierlichen Essen. Das hieß aber keineswegs, dass man nicht pünktlich sein konnte, wenn man es wollte!, schoss es Joe durch den Kopf, als sie anfingen, schon mal die Vorspeise zu essen, denn ihnen allen knurrte langsam der Magen.
    Die thailändische Garnelensuppe, schön scharf, mit Zitronengras und frischem Koriander, schmeckte hervorragend. Die würde Marc nun verpassen. Selbst schuld, dachte Joe und schöpfte sich noch etwas von der Suppe nach. Als dieser Teller leer gegessen war, war der Platz von Marc noch immer unbesetzt. So diskutierten sie, ob sie mit dem Hauptgericht beginnen sollten.
    Joe war unschlüssig. Vielleicht sollten sie sich doch noch ein bisschen gedulden.
    Alf jedoch hatte keine Lust mehr zu warten. »Schließlich habe ich nicht den ganzen Tag in der Küche gestanden, damit ich mich am Ende wegen eines verkochten, labbrigen und verbrutzelten Hauptgangs ärgern muss«, maulte er. »Die Qualität des Essens leidet mit Sicherheit darunter!« Deshalb litt Alf gleich mit und verdrückte sich beleidigt in die Küche, während Joe nach draußen ging, um die Funktionstüchtigkeit der Türklingel zu überprüfen.
    »Ruf Marc doch einfach an und frag, was los ist«, schlug Thomas ganz pragmatisch vor, als Joe unter dem kräftigen, von ihr selbst ausgelösten Klingelton zusammenzuckte.
    Sie schüttelte entsetzt den Kopf. Nein. Das ging gar nicht! Aber warum das ganz und gar unmöglich war, konnte sie nur schlecht erklären. Es hatte wohl irgendetwas mit ihrem Stolz zu tun, denn allein die Vorstellung, ihm hinterher zu telefonieren, ließ ihre
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