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Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Titel: Der träumende Kameltreiber (German Edition)
Autoren: Amor Ben Hamida
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herunter. Samia, bitte verzeih, dass ich …« Samia antworte kichernd: »Hört doch auf, euch alle zu entschuldigen! Ich habe euch gesagt, ich bin aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihr. Ihr würdet eher erröten, wenn ich euch mal meine Abenteuer erzählen würde. Also fahr fort und mach dir keine Sorgen.«
    »Nun gut, nun gut. Ich stand also splitternackt vor ihr, zitterte am ganzen Leib, einerseits war es kalt in der Wohnung, andererseits hatte ich Anfängerangst. Sie holte plötzlich ihre Handtasche hervor und suchte etwas darin. Ich hatte schon von Freunden gehört, dass Europäerinnen meistens ein Präservativ mitführten. Meine Spannung war nun auf dem Höhepunkt. Aber sie zog kein kleines Päckchen hervor, sondern ein Buch, ein regelrechtes Werk. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Wollte sie irgendeine Position mit mir ausprobieren und war sie ihr entfallen, sodass sie nachschauen musste? Nein, Freunde, sie zog das Buch der Sternzeichen hervor und fragte mich, der ich zitternd und nackt dastand, ob ich die Uhrzeit meiner Geburt wüsste. Ich stammelte nur mit klappernden Zähnen, dass meine Mutter mir immer gesagt hätte, ich sei im Morgengrauen zur Welt gekommen, mit dem ersten Ruf des Muezzins.

    ‚Zieh dich an’, sagte sie mir kalt und enttäuscht nach einer Konsultation des geheimnisvollen Buches. ‚Es wird nichts.’ Ich verstand die Welt nicht mehr. Danach saßen wir geschlagene drei Stunden in der Küche und unterhielten uns über die Sterne, die Konstellationen, die glückseligen und die satanischen Kombinationen. Ich hörte nur noch gelangweilt zu, musste mich beherrschen, dieses Weib nicht aus der Wohnung zu schmeißen, das mich um meinen Schlaf und meine Träume von Europa gebracht hatte. Alles wegen irgendwelcher blöder Sternzeichen!
    Um drei Uhr hisste ich die weiße Flagge als Zeichen meiner Kapitulation vor einem solch ungeheuren Abenteuer.
    Drei Tage später stand ich wieder beim Professor, der wiederum einen der Wege seines Labyrinths durchgestrichen hatte. Immer noch stand Europa unterstrichen und inzwischen auch eingekreist am rechten unteren Ende des Blattes.

    ‚Soll ich denn rüberschwimmen oder was? Ich werde mich doch nicht prostituieren und mich möglicherweise einem Mann geben?’ Sein Gesicht nahm auf einmal diese unglaublichen Züge an, als wollte er diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Ich hätte ihn fast geschlagen, als er plötzlich lächelte und sagte: ‚Nein, mein Freund, nichts auf der Welt, kein Traum, kein Wunsch darf ohne Grenzen sein. Wir werden eine andere Lösung finden. Ich kenne da jemanden, der jemanden kennt, der …’
    Es war Dezember. Die Gäste wurden seltener und älter. Ich hatte, Gott ist mein Zeuge, noch verschiedene Versuche unternommen, um mit einer Touristin in Kontakt zu treten, weil mich der Professor immer wieder drängte. Während er mit diesem Jemand, der jemanden kennt, der … verhandelte, forderte er mich mit einem regelrechten Aktionsplan auf, ihm wöchentlich über meine Erfolge im Baggern zu berichten. Es half nichts, ich hatte ein einziges Mal einen einigermaßen Erfolg versprechenden Kontakt. Eine ältere Frau aus Marseille sagte mir, dass ihr Sohn eine große Schule führte und dass er schon mal Arabern zu einem Studium verholfen hatte. Mir war nicht nach Studieren zumute, versteht ihr? Ich hatte drei Frauen und zwei Kamele zu versorgen. Ich wollte arbeiten!«
    »Der Tee ist fertig, Meister, darf ich ihn servieren?«, fragte Mansour seinen erzählenden Freund. »Aber sicher, mein Freund, du bist ein wichtiger Mann heute Abend.«

    Mansour wollte die Aufmerksamkeit auf sich lenken, denn er nahm den Teekrug und füllte das erste Glas, indem er den Krug am Glasrand ansetzte und dann den Arm so hoch hob, dass ein langer, grün-gelber Streifen zu sehen war und sich eine wunderbare Schaumschicht entwickelte, die das halbe Glas füllte.
    »Darf ich euch zur Auflockerung einen Witz erzählen, während ich die Gläser fülle? Ein Teekrug sagte einst zu einem Teeglas: ,Hey, Teeglas, du bist ein armes Ding, ständig pisst ein Teekrug auf dich.’ Das Teeglas antwortete: ,Du bist noch schlechter dran, denn dein Hintern wird ständig verbrannt.’«
    Dann stand Mansour auf und reichte jedem Gast ein Glas Tee. »Grüner Tee, Freunde, der rote folgt später.« Die Männer und Samia schlürften am heißen, süßen Getränk. Nur Jamel lehnte das Glas kategorisch ab: »Ich will mich nicht vergiften lassen. Fragt mal eure Ärzte, die
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