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Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Titel: Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Autoren: Nick Stone
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hier zur Nacht niederlassen.
    »Geht so«, sagte er. Er hatte seinen dritten und letzten Tag im Zeugenstand im Prozess gegen Solomon Boukman hinter sich gebracht, und er war am Ende seiner Kräfte, ausgelaugt bis auf den letzten Tropfen, zu nichts anderem mehr zu gebrauchen als zu ein bisschen Smalltalk, ein, zwei Stunden hirnlosem Fernsehen und vielen Stunden Schlaf.
    »Hat sein Anwalt dich heute auseinandergenommen?«
    »Nein.« Max schüttelte den Kopf. »Er hat sein Werkzeug zu Hause gelassen. Wieder einmal.«
    Boukmans Pflichtverteidiger war einer der schlechtesten Anwälte, denen er je begegnet war – wenn nicht der schlechteste. Oder wäre das in diesem Fall der beste? Jeder halbwegs brauchbare Anwalt hätte zumindest versucht, Zweifel an den Aussagen von ihm und Joe zu schüren: Genau genommen hatten sie gar nicht gesehen, wer den Polizisten erschossen hatte, hatten nie wirklich Boukman am Steuer dieses Taxis gesehen (das nach den Unruhen nicht mehr aufgefunden worden war) – theoretisch war es möglich, dass sie dem Falschen nachgejagt waren. Ganz zu schweigen von den Verletzungen, die Boukman erlitten hatte – drei gebrochene Rippen, gebrochene Nase, gebrochener Wangenknochen und ausgerenkter Kiefer -, zu denen er Max nicht einmal im Kreuzverhör befragt hatte. Nicht, dass die mehrheitlich weißen Geschworenen die Geschichte von Boukmans Unschuld dann gekauft hätten: Die Medien hatten ihn ohnehin bereits für schuldig befunden, mit den Schüssen auf Alonzo Penabaz, einen aufrechten, hart arbeitenden Streifenpolizisten, der Frau und Tochter zurückließ, die sogenannten »Unruhen von Little Haiti« ausgelöst zu haben. Und die forensischen Beweise und die Fingerabdrücke konnte kein Anwalt wegdiskutieren. Boukman war erledigt. Kein Zweifel.
    »Und warum machst du dir Sorgen?«
    »Mache ich gar nicht.« Max lächelte sie an. »Ich bin nur müde.«
    »Irgendetwas liegt dir auf der Seele. Irgendwas nagt an dir.« Sandra betrachtete ihn mit ihren großen braunen Augen, die alles sahen.
    »Kann ich dir das später erzählen?«
    »Was spricht gegen jetzt?«
    »Alles spricht gegen jetzt.« Er schaute aufs Meer hinaus und beobachtete die Familie vor ihnen: ein Paar mit zwei kleinen Kindern, Junge und Mädchen mit identischen gelben Schlapphüten.
    Sandra runzelte die Stirn. »Ich bestehe darauf.«
    »Ich … ich habe beschlossen, den Dienst zu quittieren. Ich werde kein Polizist mehr sein. Ich will kein Polizist mehr sein. Nicht mehr so.«
    Er hatte erwartet, sie freudig überrascht zu sehen, aber sie war nur erfreut.
    »Ich wusste, dass du da nicht mehr glücklich bist«, sagte sie.
    »Woher?«
    »Seit du Boukman verhaftet hast, warst du nicht mehr mit dem Herzen dabei.«
    »Das ist dir aufgefallen?«
    »O ja.«
    Es stimmte, er war nicht mehr mit dem Herzen dabei, aber mit Boukman hatte das nichts zu tun.
    Zuerst war Joe gegangen, im Oktober. Er hatte zur Sitte gewechselt. Die Hälfte der Mädchen, die er in seinen ersten sechs Monaten in der neuen Abteilung hochgenommen hatte, hatten früher für Carmine und Eva Desamours gearbeitet.
    Dann war Eldon mit lauten Pressefanfaren zum stellvertretenden Polizeipräsidenten ernannt worden. Manche Zeitungen feierten ihn als »Miamis größte Hoffnung auf Rettung«. Und sofort hatte er die MTF vergrößert und in mehrere Abteilungen zergliedert, die alle direkt ihm unterstanden.
    Max war zum Lieutenant und zum Leiter des Raub- und Morddezernats befördert worden. Er hasste es. Die Neuorganisation der MTF bedeutete lediglich, dass sie nun mit noch größerer Effizienz das tun konnte, was sie schon immer getan hatte. Noch immer wurden Leuten Beweise untergeschoben und Verbrechen angehängt, die sie nicht begangen hatten, noch immer wurden Menschen getötet und Richter und Geschworene belogen: Die falschen Bösewichte wurden verurteilt und die richtigen laufen gelassen. »Mach’s passend«, war zum inoffiziellen Motto der MTF geworden. Mit Eldon darüber reden zu wollen, war sinnlos, weil er die Dinge schon immer so gehandhabt hatte und immer so handhaben würde.
    Max blieb nichts anderes übrig, als sich entweder damit abzufinden oder den Job an den Nagel zu hängen.
    Und genau so, einen Fuß in der Tür, einen draußen, hatte er sein Dasein gefristet bis zum Beginn des Prozesses gegen Boukman.
    Als er in den Zeugenstand getreten war und die Hand auf die Bibel gelegt hatte, um den Eid zu leisten, hatte er sich an das offizielle Gelöbnis erinnert, das er bei seinem
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