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Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Titel: Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Autoren: Nick Stone
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festgehalten, die Akte geschlossen, eine Zahl in der Statistik.
    Sie drückte den Startknopf ihres tragbaren Kassettenrekorders. Burt Bacharach and His Orchestra Play the Hits of Burt Bacharach and Hal David – Instrumentalversionen jener wunderschönen, sonnigen Lieder, die sie so sehr liebte, und kein Gesang, um sie abzulenken.
    »This Guy‘s in Love with You« tönte aus den Lautsprechern, als sie die erste Leiche des Tages betrachtete: den Namenlosen, der im Primate Park gefunden worden war und dessen Entdeckung eine Massenflucht der gesamten Zoopopulation ausgelöst hatte. Noch vier Tage später wurden in ganz Miami und über die Stadtgrenzen hinaus entlaufene Affen eingesammelt. Viele hatten nicht überlebt, sie waren von Autos überfahren oder von Menschen erschossen worden, die sie für Einbrecher oder Außerirdische oder sonst wie für gefährlich hielten. Einer war gefoltert worden. Einige wenige hatten es in die Everglades geschafft, wo sie sich zu den Dutzenden habitatfremden Tierarten gesellten, die dort Jahr für Jahr von ihren Besitzern ausgesetzt wurden. Löwen und Tiger, Wölfe, Pythons und Boas waren bereits in den Sumpfgebieten gesichtet worden.
    Gemma hatte drei Mitarbeiter. Zwei Rechtsmediziner mit deutlich unterschiedlicher Befähigung: Javier aus El Salvador, der fast so gut war wie sie, und Martin, der seit fünf Jahren im Beruf war und sich immer noch gelegentlich übergeben musste, wenn die Säge zum Einsatz kam. Außerdem ein Autopsieassistent respektive Diener, wie sie im Institutsjargon genannt wurden. Das von der Stadt zur Verfügung gestellte Budget reichte nicht aus, um eine Vollzeitkraft einzustellen, weshalb sie sich gemeinhin mit einem Medizinstudenten im Praktikum oder einem Schüler der Polizeiakademie zufriedengeben mussten. Praktisch alle diese Neulinge mussten sich früher oder später entweder übergeben oder wurden ohnmächtig oder beides, und just in diesen Fällen erwies sich Martin als unschätzbar wertvoll. Er hatte in seiner Jugend eine Zeitlang Football gespielt und war noch immer recht schnell auf den Beinen. Er fing die Praktikanten im Fall auf, bevor sie auf den Boden aufschlugen, und konnte so Verletzungen und Schadenersatzklagen verhindern. Natürlich klappte das nur, wenn er zum Zeitpunkt der Krise selbst aufrecht stand, was meistens der Fall war. Er war zu stolz, um vor einem Praktikanten in Ohnmacht zu fallen.
    Seit der Kokainexplosion Mitte der Siebziger hatte der Tod in Miami ein anderes Gesicht bekommen. Vorher waren die Leichen, die sie untersucht hatte, Schießereien, Messerstechereien, Prügeleien, Ertrinken oder Gift zum Opfer gefallen – Morde aus Eifersucht oder im Zuge von Einbrüchen, Straßen- und Ladenräubereien oder Selbstmorde. Nur gelegentlich hatte sie die Ergebnisse politischer Morde in Augenschein nehmen oder die Überreste eines Mafiamordes zusammensetzen müssen, die in Ölfässern verstaut in Raten an die Küste geschwemmt wurden. Das Kokain hatte ihre Arbeit sehr viel komplizierter gemacht. Die Drogenbanden töteten ihre Opfer nicht einfach, sie hatten ihren Spaß daran, sie vorher fast zu Tode zu foltern. Was bedeutete, dass sie für jede Leiche länger brauchte, weil sie sichergehen musste, dass das Opfer nicht an den grausamen Leiden gestorben war, die es hatte durchmachen müssen, bevor es den Todesstoß erhalten hatte. Selbst die Waffen waren unverhältnismäßig. Wenn Schusswaffen zum Einsatz kamen, dann keine normalen Pistolen oder Gewehre, sondern Maschinen- und Automatikgewehre, und die Opfer wurden mit so vielen Kugeln durchsiebt, dass sie oft den Großteil ihrer Schicht damit zubrachte, sie alle herauszuklauben. Noch dazu gab es wahnsinnig viele Kollateraltote: Unschuldige, die in eine Schießerei geraten waren oder das Pech hatten, in irgendeiner Weise mit einem ins Visier genommenen Feind in Verbindung zu stehen. Für Gemma war das alles völlig neu, nicht einmal in ihrer Zeit in New York hatte sie Ähnliches gesehen. Miami hatte eine unterdurchschnittliche Mordrate gehabt, als es noch hauptsächlich von jüdischen Rentnern, kubanischen Flüchtlingen und Antifidelistas bewohnt worden war, doch daraus war inzwischen eine die Statistik sprengende und noch immer wachsende Mordepidemie geworden.
    Die Rechtsmedizin war überfüllt. Erst kürzlich hatten sie Kühlwagen von Burger King anmieten müssen, um die überzähligen Leichen zu lagern.
    Sie brauchte eine Pause, eine lange Pause, oder vielleicht besser einen neuen Job. Sie
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