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Der Totenerwecker (German Edition)

Der Totenerwecker (German Edition)

Titel: Der Totenerwecker (German Edition)
Autoren: Wrath James White
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offene Fenster in die warme Frühlingsbrise trieb.
    »Ich hab heut mit dem Pfarrer gesprochen ... über Dale.«
    »Mama! Ich hab dir doch gesagt, dass niemand über ihn Bescheid wissen soll. Und über das, was er kann.«
    »Ach, sei still. Ich hab dein Geheimnis nicht verraten. War bei der Beichte. Er darf’s keinem sagen. Außerdem stimmt was nicht mit dem Jungen, und das weißt du auch. Der Hund will nicht mit ihm spielen. Ich finde in seinem Zimmer immer wieder Messer und Klamotten mit Blut dran. Und ich hab Albträume. Schlimme Albträume, dass ich erstochen und erstickt werde. Ich weiß, dass es was mit Dale zu tun hat.«
    Dales Großmutter stammte aus den Südstaaten. Sie war auf einer Farm aufgewachsen und keine dieser Schönheiten, die man immer im Fernsehen sah, wie sie auf der Veranda einer alten Kolonialvilla saßen und Mint Juleps schlürften. In der sechsten Klasse hatte sie die Schule verlassen, um auf der Farm zu arbeiten. Sie war derb und ungehobelt und sagte immer, was sie dachte, ob es nun stimmte oder nicht. Eher paffte sie eine Zigarre, als an einem Tässchen Tee zu nippen.
    »Psst! Sprich leiser, Mama. Er könnte dich hören.«
    »Siehste? Du hast auch Angst vor ihm.«
    Dales Großmutter schwieg und holte tief Luft. Auch Dale wartete und hielt den Atem an. Er wollte hören, was sie dem Pfarrer über ihn berichtet hatte.
    »Ich hab ihm erzählt, was mit dir passiert ist und was Dale getan hat. Wie er dir’s Leben wieder eingehaucht hat. Und was ich ihn hier im Haus hab tun sehen. Dass ich beobachtet hab, wie er im Garten ’n Schmetterling getötet und dann ins Leben zurückgeholt hat. Und dann hab ich Vater Stanley gefragt, wieso Gott so ’ne Gabe in die Hände von so was Bösem legt.«
    »Mama! Dale ist nicht böse!«
    »In dem Jungen steckt der Teufel, und das weißt du auch.«
    »Er ist nur ein kleiner Junge.«
    »Und Gott sei uns gnädig, wenn er ’n Mann wird. Gott sei uns allen gnädig.«
    Seine Mutter stieß einen tiefen Seufzer aus, und Dale sah förmlich vor sich, wie sie die Augen verdrehte.
    »Was hat Pater Stanley gesagt, Mama?«
    »Oh, er ist ’n alter Dummkopf. Wollte mir einreden, dass Gott niemandem so ’ne Macht gibt, wenn er damit nicht irgend ’n Plan hat. Er sagte, dass irgendwas Gutes in Dale stecken muss und Gott irgendwie durch ihn wirkt. Der Pfaffe machte aus Dale fast so was wie ’n Heiligen. Er wollte, dass ich ihn zur Kirche bringe und ihn hinsetze wie bei diesen dämlichen Erweckungsfeiern. Damit er Leute in Jesus’ Namen heilen kann.«
    »Und was hast du dazu gesagt?«
    Dale lauschte gespannt. Er war ziemlich sicher, dass die olle Streitaxt kein gutes Wort für ihn übrighatte.
    »Dass Gott andauernd allen möglichen bösen Leuten Macht gibt, hab ich gesagt. Verdammt, einige der mächtigsten Leute auf der Welt sind Gangster, Drogendealer, Zuhälter und Waffenschieber. Oder Diktatoren und Kriegstreiber. Ich hab ihn gefragt, ob Gott auch einen Plan hatte mit Hitler oder Stalin oder Mussolini oder Saddam Hussein oder diesem Idioten, der uns den Irakkrieg eingebrockt hat. Dazu fiel ihm nix Vernünftiges ein. Er fing dann mit diesem Quatsch an, dass die Wege des Herrn unergründlich sind. Immer wenn man diese Pfaffen drauf anspricht, dass Gott was macht, was absolut keinen gottverdammten Sinn ergibt, kommen sie einem mit dem gleichen Unfug. Vielleicht ist Gott gar nicht so mysteriös. Vielleicht macht’s ihm einfach Spaß, uns durch die Hölle zu jagen.«
    »Mama, so solltest du nicht reden!«
    »Zur Hölle damit. Dann erklär’s mir. Erklär mir, warum Gott so ’nem Jungen solche Kräfte gibt. Dieser Junge hat den Teufel in sich, das sag ich dir. Er hat kein Gewissen, kein Mitgefühl. Du weißt verdammt gut, dass das Böse in ihm steckt. Er ist genau wie sein Vater, und wie’s mit dem ausging, weißt du!«
    Dale drückte fester zu. Dem Kätzchen baumelte die Zunge aus dem Mund, es gab ein trockenes Keuchen von sich und zappelte mit den Beinen in der Luft. Seine Mutter, seine Großmutter – niemand verstand ihn. Er verstand sich ja nicht einmal selbst. Er wusste nur, dass er anders war und es sich aus irgendeinem Grund gut anfühlte, Lebewesen zu töten.
    Das Lächeln, das sein Gesicht verunstaltete, wurde noch grausamer, und der Ausdruck in seinen Augen glich dem, den misshandelte Frauen so oft in den Augen ihres Peinigers entdeckten. Es war der Blick, den Dale von seinem Vater kannte, als der seine Mutter mit dem Messer bearbeitet hatte. Jetzt packte Dale
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