Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der tote Raumfahrer

Der tote Raumfahrer

Titel: Der tote Raumfahrer
Autoren: James P. Hogan
Vom Netzwerk:
neben ihm.
    »In Ordnung«, brachte er schließlich hervor. »Geh'n wir.«
    Stunde um Stunde wuchs die dünne Schlange aus Fußspuren, deren Kopf aus zwei Farbklecksen bestand, in die Länge – nach Westen, durch die Ödnis, in der die Schatten immer länger wurden. Er bewegte sich wie in Trance, spürte keinen Schmerz mehr, keine Erschöpfung – er spürte gar nichts mehr. Der Horizont schien sich niemals zu verändern; bald konnte er seinen Anblick nicht mehr ertragen. Statt dessen betrachtete er die nächste ins Auge fallende Felsnadel oder Klippe und begann, die Schritte zu zählen, bis sie sie erreicht hatten. »Zweihundertdreizehn weniger.« Und dann noch einmal ... und noch einmal ... immer wieder. Wie eine langsame, endlose und gleichgültige Prozession glitten die Felsen an ihnen vorbei. Jeder einzelne Schritt wurde zu einem Sieg des Willens ... Es war eine konzentrierte, bewußte Anstrengung, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Wenn er strauchelte, war Koriel da, um ihn festzuhalten. Wenn er fiel, dann war Koriel immer zur Stelle, um ihm wieder in die Höhe zu helfen. Koriel ermüdete nie.
    Schließlich hielten sie an. Sie befanden sich in einer Schlucht, die etwa vierhundert Meter breit war, unterhalb einer der niedrigen, zerklüfteten Felswände, die die Schlucht zu beiden Seiten flankierten. Am nächsten Felsblock brach er zusammen. Koriel befand sich ein paar Schritte voraus und überblickte die Landschaft. Die Vorsprünge und Klippen unmittelbar über ihnen wurden von einem Einschnitt unterbrochen. Er markierte jene Stelle, an der sich eine steile, enge Spalte bis ganz hinunter erstreckte, um dann in die Felswand der Hauptschlucht zu münden. Vom Ende der Spalte aus führte ein Hang aus angehäuftem Gesteinsschutt und Felstrümmern nahezu zwanzig Meter bis zum Boden der Schlucht hinunter. Er endete nicht weit von ihnen entfernt. Koriel streckte einen Arm aus und deutete auf einen Punkt jenseits des Risses.
    »Dort etwa müßte Gorda liegen«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Der beste Weg scheint mir durch die Spalte hindurch und dann den Bergrücken hinauf zu sein. Wenn wir in der Ebene bleiben und das alles umgehen, dauert es zu lange. Was meinst du?«
    Der andere starrte in stummer Verzweiflung hinauf. Die Felslawine, die sich bis zum Anfang der Spalte auftürmte, sah wie ein Gebirge aus. Dahinter, in der Ferne, ragte der zerklüftete Bergrücken empor; weißblendend lag er im Licht der Sonne. Es war unmöglich.
    Koriel gestattete seinen Zweifeln nicht, sich zu entfalten. Irgendwie – rutschend, kriechend, stolpernd und stürzend – gelangten sie bis dorthinauf, wo die Spalte begann. Dahinter strebten die Felswände aufeinander zu, wandten sich nach links und nahmen ihnen so die Sicht auf die Schlucht unter ihnen, aus der sie gekommen waren. Sie kletterten höher. Um sie herum reflektierten die Geröllmassen das grelle Sonnenlicht, und Schatten, die wie bodenlose Abgründe wirkten, zogen auf Felsen, deren gesplitterte Oberflächen tausend verschiedene Winkel aufwiesen, messerscharfe Grenzen zwischen Hell und Dunkel. Sein Hirn war bald nicht mehr in der Lage, aus der wahnwitzigen, aus Schwarz und Weiß zusammengesetzten Geometrie, die wie ein Kaleidoskop über seine Netzhaut huschte, Gestalt und Form seiner Umgebung zu extrahieren. Die Muster wuchsen und schrumpften und verschmolzen und wirbelten mit der Raserei einer visuellen Kakophonie umher.
    Sein Gesicht prallte gegen die Sichtscheibe, als sein Helm dumpf in den Staub schlug. Koriel zerrte ihn wieder auf die Beine.
    »Du kannst es schaffen. Vom Bergrücken aus können wir Gorda sehen. Und dann geht es nur noch bergab ...«
    Aber die in Rot gekleidete Gestalt sank langsam auf die Knie und kippte vornüber. Der Kopf im Innern des Helms baumelte schwach von einer Seite zur anderen. Als Koriel ihn beobachtete, erkannte der bewußte Teil seines Verstandes jene unausweichliche Logik, die sein Unterbewußtsein längst akzeptiert hatte. Er atmete tief durch und sah sich um.
    Nicht weit hinter ihnen befand sich eine Höhle, an der sie vorbeimarschiert waren, knapp zwei Meter breit, direkt am Fuße einer der Felswände. Sie wirkte wie das Überbleibsel eines in Vergessenheit geratenen Aushubs – vielleicht die Probegrabung einer Bergbaugruppe. Der Riese bückte sich, packte das Gurtzeug, das den Tornister auf dem Rücken des nun Bewußtlosen befestigte, und schleppte den Reglosen den Hang wieder hinunter, zur Höhle hin. Sie war etwa drei Meter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher