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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz
Autoren: Peter Tremayne
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Gestalt schien eher nach einer aktiven und freudigen Rolle im Leben zu verlangen als nach dem eng umgrenzten Bezirk einer religiösen Gemeinschaft.
    »Eadulf! Ich hatte doch gehört, du wärst auf dem Rückweg in das Land der Angelsachsen?«
    Eadulfs Miene hatte sich zu einem verlegenen Lächeln verzogen angesichts ihrer Begeisterung, ihn wiederzusehen.
    »Vorläufig noch nicht. Als ich hörte, daß Beccan sich auf die Suche nach dir machte, um dich mit diesem Auftrag nach Araglin zu schicken, sagte ich zu deinem Bruder, ich würde gern etwas mehr von diesem Land sehen und seine Rechtspflege beobachten. Das liefert mir einen Vorwand, noch etwas länger hier zu bleiben.«
    »Es ist schön, daß du gekommen bist. Ehrlich gesagt, ich hab mich hier in Lios Mhór ziemlich gelangweilt. Es wird mir guttun, in die Berge zu gehen, in ihre klare Luft, und jemanden zu haben, mit dem ich über dies und jenes reden kann …«
    Eadulf lachte. Es war ein angenehmes, freundliches Lachen.
    »Ich weiß schon, was für eine Art von Reden du meinst«, antwortete er spitz.
    Nun war es an ihr, zu lachen. Ihr hatten die Diskussionen gefehlt, die sie mit Eadulf führte. Sie hatte es vermißt, daß sie ihn mit ihren gegensätzlichen Meinungen und Philosophien necken konnte und er gutmütig jeden Köder schluckte, den sie ihm hinhielt. Sie stritten sich heftig, aber es gab keine Feindschaft zwischen ihnen. Beide lernten daraus, daß sie gegenseitig ihre Interpretationen der Moralgrundsätze der Gründerväter ihres Glaubens prüften und leidenschaftlich ihre Vorstellungen vom Leben vertraten.
    Eadulf wurde plötzlich ernst, als er ihr in das freudige Gesicht blickte.
    »Mir haben unsere Gespräche auch gefehlt«, sagte er leise.
    Sie schauten einander schweigend an, und dann ging plötzlich die Tür auf, und Abt Cathal kam herein. Verlegen traten sie auseinander.
    »Alles klar. Die Verpflegung wird bereitgestellt. Ihr habt übrigens Glück. Wie ich höre, ist ein Bauer aus Araglin hier und will sich gerade auf den Rückweg machen. Er kann euch als Führer dienen.«
    Fidelma sah ihn zögernd an.
    »Ein Bauer? Ist er jung oder älter?« erkundigte sie sich vorsichtig.
    Abt Cathal starrte sie einen Moment verdutzt an und zuckte dann die Achseln.
    »Er ist jung, und er hat ein junges Mädchen bei sich. Spielt das eine Rolle?«
    »In diesem Falle nicht.« Fidelma wiegte den Kopf in stiller Belustigung. »Wäre der Bauer älter gewesen, dann hätte es allerdings eine Rolle gespielt. Weißt du«, erklärte sie dem sichtlich verwirrten Abt, »ich habe gerade ein Urteil gegen einen Bauern im mittleren Alter gefällt, einen gewissen Muadnat. Dem wäre meine Gesellschaft bestimmt nicht recht gewesen.«
    Abt Cathal schien es immer noch nicht ganz zu begreifen.
    »Aber jeder muß doch ein Gerichtsurteil akzeptieren.« Er konnte sich anscheinend nicht vorstellen, daß ein Urteil nach dem Gesetz Zorn auslösen könne.
    »Nicht jeder nimmt so etwas mit guter Miene auf, lieber Abt«, erwiderte Fidelma. »Aber ich glaube, nun wird es Zeit, daß Bruder Eadulf und ich uns auf den Weg machen.«
    Abt Cathal ließ sie sichtlich ungern ziehen.
    »Vielleicht sehen wir uns heute zum letzten Mal, Fidelma, sicher aber für einige Zeit.«
    »Wie das?« fragte sie interessiert.
    »In der nächsten Woche breche ich zu einer Pilgerfahrt ins Heilige Land auf. Das war mein Ziel schon seit vielen Jahren. Bruder Nemon wird hier meine Stelle als Abt einnehmen.«
    »Ins Heilige Land?« fragte Fidelma, aus ihrer Stimme klang Sehnsucht. »Dorthin möchte ich eines Tages auch einmal. Ich wünsche dir viel Freude auf deiner Fahrt, Cathal von Lios Mhór. Möge Gott auf allen deinen Wegen bei dir sein.«
    Sie streckte dem Abt die Hand entgegen, der sie fest ergriff und drückte.
    »Und möge Er dich bei deinen Urteilen erleuchten, Fidelma von Kildare«, antwortete der Abt feierlich. Er lächelte sie beide nacheinander an und hob leicht die Hand zum Segen. »Bis zum Ende des Weges: Frieden und Sicherheit.«

K APITEL 3
    Im gepflasterten Hof der Abtei fanden sie den jungen Bauern Archú mit dem Mädchen, das in der Kapelle bei ihm gewesen war. Sie saßen im Schatten eines Kreuzgangs und warteten ungeduldig. In der Nähe standen zwei bereits gesattelte Pferde. Archú erhob sich und kam Schwester Fidelma entgegen. Er erinnerte sie immer noch an einen eifrigen jungen Hund, der seinem Herrn jeden Wunsch erfüllen möchte.
    »Ich habe gehört, du brauchst einen Führer ins Land Araglin,
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