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Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt

Titel: Der Torwächter Bd. 2 - Die verlorene Stadt
Autoren: Markus Stromiedel
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nur noch glimmende Lagerfeuer zu legen. Das trockene Holz knackte und begann zu qualmen, bis nach einer Weile eine Flamme am Rand des Scheits aufzüngelte. Bald brannte das Feuer wieder hell, das Licht erleuchtete die Ruine, in der sie ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten.
    Doch Simon zögerte, sich wieder hinzulegen. Er hatte Angst davor, einzuschlafen. Noch einmal wollte er nicht vom brennenden Haus des Großvaters träumen, und auch nicht von seinem Vater, sosehr er ihn auch vermisste. Der Anblick, wie er sich aufgelöst hatte, war furchtbar gewesen.
    Ein Windstoß trieb durch die Ruinen und ein herber Duft mischte sich in den Qualm des Feuers. Es roch nach Meer, es war ein vertrauter Geruch, der ihn an das Dorf seines Großvaters erinnerte. Kurz entschlossen warf Simon den Ast fort, mit dem er das Feuer geschürt hatte, und ging hinunter zum Strand. Die Küste war nicht weit, er hörte das leise Rauschen der Wellen, die an das Ufer rollten.
    Die Gasse schlängelte sich den Hügel hinab. Der Weg war steil, Simon kannte ihn gut, er war ihn in seiner Welt oft gegangen. Für einen Augenblick stellte er sich die Gassen seines Dorfes vor: die Hitze zwischen den ockerfarbenen Mauern, die Menschen, die entspannt vor ihren Häusern standen und redeten, die Oleanderbüsche, die in den Gärten blühten. Kurz kam es ihm vor, als würde er den Duft aus der Bäckerei unten am Hafen riechen. Doch in dieser Welt gab es keinen Oleander und auch keine duftende Bäckerei und schon gar keine entspannt plaudernden Menschen. Die Straßen des Dorfes waren verlassen, statt ockerfarbener Häuser standen hier Ruinen mit rußgeschwärzten Fassaden und eingestürzten Dächern. Die Mauerreste zeichneten scharfe Linien in den Nachthimmel.
    Noch nie hatte Simon sich so alleine gefühlt wie jetzt, seit er in dieser Welt angekommen war. Sicher, Ashakida begleitete ihn, die Schneeleopardin stand ihm treu zur Seite. Doch sie konnte nicht die Menschen ersetzen, die er in seiner Welt zurücklassen musste. Was hätte er gegeben, mit seiner Mutter über alles reden zu können! Wie gerne hätte er seinem Vater all die Fragen gestellt, die ihm auf der Seele brannten. Selbst seinen Bruder Tim vermisste er, obwohl sie sich doch so häufig gestritten hatten.
    Und ihm fehlten seine Freunde: Tomas, Filippo, Luc und natürlich Ira, das Mädchen aus dem Dorf und der erstaunlichste Mensch, den Simon je kennengelernt hatte. Es zog ihm das Herz zusammen, wenn er daran dachte, wie sie am Weltentor getrennt worden waren.
    Wütend kickte Simon einen Stein die Gasse hinab: Bis vor einer Woche hatte er nicht gewusst, dass es diese Weltentore gab, geschweige denn, dass er zur Familie der Torwächter gehörte. Warum hatten seine Eltern nicht mit ihm geredet? Alles wäre anders gekommen! Jetzt war sein Zuhause zerstört, nur er hatte sich gemeinsam mit Ashakida durch ein Weltentor hierher retten können.
    Hatte sich seine Familie vor Drhan in Sicherheit bringen können? Lebten seine Freunde noch? Simon wusste es nicht. Verzweiflung mischte sich in seine Wut.
    Simon musste an die Legende denken, die Ashakida ihm erzählt hatte: wie Drhan einst der Göttin Aphyr den Krieg erklärt hatte, ein Krieg, an dessen Ende die Zeit zersplitterte und sieben Parallelwelten entstanden waren. Seither gab es sieben Welten, die sich glichen und doch verschieden waren, weil sie sich seit dem Tag der Trennung unterschiedlich weiterentwickelten. Simon hatte der Geschichte nicht glauben wollen. Jetzt wusste er es besser. »Avaritia« hieß die Parallelwelt, in der sie gelandet waren, nachdem sie das Weltentor durchschritten hatten. Die Küste, das Dorf, die Menschen, die hier lebten, alles war fast so wie in seiner Welt, in der er zu Hause war. Und zugleich war alles anders. Denn in dieser Welt herrschte Drhan, und seine dunkle Macht hatte die Menschen von Avaritia ins Elend gestürzt.
    Der Strand unterhalb der Uferstraße war menschenleer. Simon blickte über das Wasser. Dort drüben, am anderen Ende der Bucht, lag die Stadt, von der aus Drhan seine Truppen befehligte. Umgeben von Fabriken mit qualmenden Schloten, ragten Hochhäuser in den Nachthimmel, düstere Wolkenkratzer, deren Spitzen tagsüber in einer Dunstglocke verschwanden. Eine Mauer begrenzte den stinkenden Moloch. Über allem thronte der Tower, ein riesiger Turm, größer als jedes Gebäude, das Simon bisher gesehen hatte. Ein Schauer lief über seinen Rücken. Noch immer zog ihn der Tower magisch an, obwohl er wusste, dass dort
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