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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter
Autoren: Markus Stromiedel
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losgelaufen. Mit angehaltenem Atem sah Simon, wie sie Anlauf nahm, um hinüber auf die andere Seite des Abgrunds zu springen.
    Doch kurz bevor sie das Ende des Daches erreicht hatte, strauchelte sie, ein Dachziegel war unter ihrem Schritt verrutscht. Sie verlor das Gleichgewicht, stürzte und rollte auf den Abgrund zu. Verzweifelt suchte sie nach Halt, aber ihre Hände fanden nichts, um sich festzuklammern. Simon sah die Angst in ihrem Gesicht, er hörte ihren Schrei. Dann war das Mädchen verschwunden.

6
    Für einen Augenblick wusste Simon nicht, was er tun sollte. Hilfe holen, das war sein erster Gedanke, einen Erwachsenen, zur Not sogar den Dicken. Dann kam ihm der Gedanke, dass er zuerst nach dem Mädchen sehen sollte. Vielleicht war ja schon jemand auf den Sturz aufmerksam geworden.
    Simon mochte sich nicht ausmalen, was ihr passiert war.
    Er warf seinen Rucksack ab, ging auf die Knie und kroch vorsichtig auf das Ende des Daches zu. Die letzten Meter robbte er auf dem Bauch. Langsam schob er seinen Kopf über die Kante. Er erwartete, unten in der Gasse einen verrenkten Körper liegen zu sehen, vielleicht ein paar Menschen, die sich aufgeregt über ihn beugten.
    Die Gasse war leer.
    »Hier bin ich!«
    Simon stutzte.
    Dann entdeckte er sie: Das Mädchen lag auf einem Vordach aus Wellblech, das jemand als Sonnenschutz über einem Fenster montiert hatte. Ihre Beine waren blutig, sie musste auf die Kante des Blechdaches geprallt sein und sich geistesgegenwärtig an der Halterung einer Klimaanlage festgehalten haben, bevor sie ganz herabgestürzt war. Noch immerhielt sie den dünnen Stahlträger mit einem Arm fest umklammert.
    »Verdammter Mist. Jetzt mach schon, hilf mir! Ich weiß nicht, wie lange das Ding hier hält.«
    Simon nickte nur und kroch zurück. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Ratlos blickte er um sich. Dann kam ihm ein Gedanke: Er lief zu der Reihe von Dachterrassen, die sie zuvor überquert hatten. Auf einer von ihnen fand er, was er jetzt brauchte: eine Wäscheleine aus Hanf, sie wirkte neu und schien stabil zu sein. Simon nahm die Schnur ab und balancierte wieder zu dem Dach, von dem das Mädchen abgestürzt war. Eilig schlang er die Leine um ein Metallrohr, Simon rüttelte kräftig daran, um zu prüfen, ob es hielt. Er verknotete die Schnur, dann kroch er zurück zur Dachkante und warf dem Mädchen das andere Ende zu. »Halt dich an dem Seil fest. Und dann zieh dich hoch. Ich helf dir.«
    Misstrauisch beäugte das Mädchen die Wäscheleine, bevor sie zugriff und die Schnur mehrfach um ihren Arm wickelte. Zögernd ließ sie die Halterung der Klimaanlage los und stand auf, mit zitternden Knien. Das Wellblechdach ächzte unter ihrem Gewicht. Das Mädchen presste seinen Körper dicht an die Hauswand, dann kletterte sie auf die Klimaanlage und reckte sich, bis ihre Hand den Rand des Daches erreichte. Simon, der flach auf dem Dachfirst lag, hielt den Atem an. Er reichte dem Mädchen seine Hand, sie ergriff sie, und mit Simons Hilfe kletterte sie zurück auf das Dach. Gemeinsam krochen sie ein Stück von der Kante weg und ließen sich erschöpft auf den Dachziegeln nieder.
    Eine Weile sprach keiner von beiden ein Wort. Schließlich drehte sich das Mädchen zu ihm um. »Wenn du irgendjemandem was davon erzählst, mach ich dich fertig!«
    Simon musste grinsen. Er konnte sie gut verstehen. »Hi! Ich bin Simon.« Und er streckte ihr die Hand hin.
    Das Mädchen musterte ihn, erstaunt und misstrauisch zugleich. Schließlich grinste auch sie und ergriff seine Hand. »Ich bin Ira.« Ihre Nase kräuselte sich beim Lachen, bemerkte Simon, bevor er den Blick abwendete und verlegen zur Seite schaute.
    Sie schien nichts bemerkt zu haben. Mühsam stand sie auf. »Komm.«
    Der Rückweg zur Dachterrasse, von der sich Simon die Wäscheleine ausgeliehen hatte, war schwer. Diesmal gingen sie langsam, Ira humpelte, ihr Bein musste ziemlich schmerzen. Simon, der fast seinen Rucksack vergessen hätte, wollte sie stützen, aber sie wies seine Hand zurück. Doch als sie die Dachterrasse erreichten, schien Ira froh zu sein, dass er ihr herabhalf.
    »Und jetzt?« Suchend sah Simon sich um, irgendwie mussten sie hier hinunterkommen.
    Statt einer Antwort bedeutete sie ihm, still zu sein. Simon war gespannt, was sie vorhatte. Ira trat an die zweiflügelige Tür, die aus dem Haus hinaus auf die Dachterrasse führte. Das Holz war alt und das Glas schon matt, doch der Riegel im Inneren saß fest auf dem Haken. Geschickt schob
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