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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter
Autoren: Markus Stromiedel
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die Alte leise, Tränen im Gesicht. »Es ist zu spät …«
    Erschrocken riss Simon sich los. Ohne sich noch einmal umzusehen, rannte er davon.

7
    Einen riesigen Kochtopf in beiden Händen, verließ Simons Mutter die Küche. »Alle zum Essen kommen!« Vorsichtig stieg sie die Stufen zum Hof hinab und ging hinüber zum Platz vor dem Haus. Sie hatte mithilfe des Vaters den alten Esstisch in den Schatten der Olivenbäume gerückt. Sie liebte diesen Platz: Der Blick über die Küste war unverstellt und die wilden Kräuter am Rand der Auffahrt verströmten einen herben Geruch. Als Simon auf den Vorplatz kam, stellte sein Bruder gerade Teller und Gläser auf die Tischplatte. Die Mutter hatte Tim zum Tischdecken verdonnert, als er nichts ahnend die Werkstatt verlassen hatte, um sich die Hände zu waschen. Der Vater saß schon auf seinem Platz und blickte hinab aufs Meer.
    Der Wind hatte abgeflaut, und die Sonne stand als Feuerball dicht über dem Horizont. Die Felsen glühten im Abendlicht. Rot leuchteten die Dächer des Dorfes zu ihnen herauf. Simon würdigte das Farbenspiel mit keinem Blick. Er setzte sich wortlos, wartete stumm, dass seine Mutter allen auftat, und stocherte anschließend lustlos in seinem Essen herum. Er hatte keinen Appetit, die Begegnung mit der Alten war ihm auf den Magen geschlagen.
    Er war nach Hause gerannt, nachdem er sich losgerissen hatte – zumindest hatte er es versucht –, doch in seiner Panik hatte er sich in den Gassen des Dorfes verirrt. Irgendwann schließlich war er an dem kleinen Supermarkt vorbeigekommen. Von dort aus wusste er den Weg hinauf zum Haus des Großvaters. Seine Mutter war ärgerlich gewesen, weil er so spät zurückgekommen war. Simon hatte sich nicht verteidigt, er wollte nichts von seiner Tour über die Dächer und Iras Rettung erzählen. Auch die Begegnung mit ihrer Großmutter hatte er für sich behalten, obwohl er an nichts anderes denken konnte.
    Wie so häufig am Esstisch führte sein großer Bruder das Wort. Tim berichtete von seinem Motorroller, er glaubte, den Fehler im Motor endlich gefunden zu haben. Gleich nach dem Abendessen würde er weitermachen. Simon hörte Tim nur mit halbem Ohr zu.
    »Und? Hast du schon jemanden kennengelernt?« Sein Vater sah ihn neugierig an.
    Simon reagierte nicht. Erst als sein Vater noch einmal nachfragte, bemerkte er, dass er gemeint war. Er schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich.«
    Sein Vater musste lachen. »Was heißt das denn?«
    Simon zögerte, doch dann erzählte er, dass er ein Mädchen getroffen und es nach Hause begleitet hatte. Warum sie sich verletzt und seine Hilfe gebraucht hatte, sagte er nicht.
    Wieder musste er an die weißhaarige Alte in Iras Haus denken und an das Gefühl, das plötzlich in ihn geströmt war, als sie seine Hände festgehalten hatte. Es war so wirklich gewesen, alsob es sein eigenes gewesen wäre. Für einen Augenblick war es ihm vorgekommen, als wären er und die Alte eins gewesen. So etwas hatte er noch nie zuvor erlebt!
    Dann fielen ihm die seltsamen Dinge ein, die sie gesagt hatte.
    Was hatte sie damit gemeint, dass er zu spät gekommen sei? Wie hatte sie ihn noch mal genannt?
    »Salvatore, kennt ihr diesen Namen?«
    Simon hatte nicht mit der Reaktion seiner Eltern gerechnet. Beide erstarrten und blickten ihn an, als hätte er ihnen von der Klettertour über die Dächer erzählt.
    »Wieso?«
    Simon zögerte. »Mich hat heute jemand so angesprochen.«
    »Und wer?« Sein Vater kaute weiter, darum bemüht, seine Frage beiläufig klingen zu lassen. Auch seine Mutter zwang sich, ruhig weiterzuessen. Doch Simon spürte, wie sie ihn besorgt musterte.
    Er zuckte mit den Schultern. »Eine alte Frau. Ich kannte sie nicht. Ist ja auch nicht so wichtig.«
    Doch sein Vater ließ nicht locker, bis Simon schließlich von der Begegnung mit der Alten erzählte. Er hatte ja mit dem Besuch bei Ira nichts Verbotenes gemacht, sagte er sich.
    Seine Eltern schwiegen, als er fertig war. Wieder hatte er das Gefühl, dass sie ihm etwas verheimlichten. Und wieder war es seine Mutter, die den Vater mit einem Blick dazu brachte, das Thema zu wechseln. »Das war bestimmt nur ein Zufall gewesen«, behauptete sie. »Die Alte war verwirrt. Mach dir keine Gedanken.« Und sie stand auf, um allen aus dem Tiefkühlfach des Kühlschranks ein Eis zu holen.
    Simon war verblüfft. So etwas tat sie sonst nie am Abend, höchstens mal am Wochenende, und das war gerade vorbei. Er war sich jetzt sicher, dass seine Mutter mehr
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