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Der tolle Nick

Der tolle Nick

Titel: Der tolle Nick
Autoren: Georgette Heyer
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Beauvallet.
    »Daw, Russet, Curl! Nehmt diesen Heuschreck fest! Vorsichtig, Burschen, vorsichtig!«
    Cruzada erkannte, daß er umzingelt war, und schrie vor Zorn auf. Rauhe Hände ergriffen ihn von hinten und hielten ihn fest; er sah Beauvallet, der sich auf seinen Degen stützte, und nannte ihn fluchend einen Feigling und eine Memme.
    Beauvallet lachte leise vor sich hin. »Laß dir einen Bart wachsen, Knabe, und komm wieder, wenn er gewachsen ist. Mr. Dangerfield!« Sein Leutnant trat zu ihm. »Bewacht mir diesen ehrenwerten Herrn«, sagte Beauvallet und deutete kurz auf Don Juan. Er beugte sich nieder, hob das Schwert des Spaniers auf und war im selben Augenblick auch schon auf dem Weg nach unten, in den Schiffsrumpf.
    Don Juan kam langsam wieder zur Besinnung und bemerkte, daß er entwaffnet und Beauvallet fort war. Mühsam erhob er sich, wobei ihn ein Engländer stützte, und sah sich plötzlich einem blonden Jungen gegenüber. »Ihr seid mein Gefangener, Señor«, sagte Richard Dangerfield in gebrochenem Spanisch. »Der Tag ist unser.«
    Schweiß perlte über Don Juans Stirn; er wischte ihn fort und erkannte, daß der Engländer recht hatte. Überall legten seine Leute die Waffen nieder. Die Wut und der Schmerz, die ihn gefangenhielten, waren plötzlich wie weggewischt; mit letzten Kräften raffte er sich zusammen, besann sich auf seine Erziehung und blieb aufrecht und unbewegt stehen. Er verbeugte sich leicht. »Ich bin in Euren Händen, Señor.«
    Über das Achterdeck liefen die Seeleute auf der Suche nach Beute. Einige wilde Gestalten stiegen lautstark die Kajütstreppe hinunter, die zu den Kabinen führte. Dort bot sich ihnen ein Anblick, der sie in Erstaunen versetzte. Gegen die Wand gepreßt, die Hände flach an der Täfelung, stand eine Dame mit elfenbeinfarbenem Teint, rosigen Lippen und schwarzen Haaren, die durch ein goldenes Netz zusammengehalten wurden. Ihre Augen waren dunkel und groß unter schweren Lidern, die Brauen fein geschwungen, die Nase kurz und gerade, die vollen Lippen üppig und einladend. Sie trug ein Kleid aus purpurfarbenem Kamelott, in das ein Muster aus Goldfaden gewoben war, über einem reichbestickten Unterrock. Ihren Nacken umschloß ein mit Bergkristall bestickter Spitzenkragen, der das reizende, liebliche Gesicht rahmte. Ihr Kleid war tief ausgeschnitten, und auf dem weißen Busen lag ein Edelstein, der sich unter ihrem raschen Atem hob und senkte.
    Der erste der Eindringlinge blieb einen Augenblick lang erstaunt stehen, faßte sich aber, bevor die anderen zu drängen begannen. »Eine Dirne«, rief er laut lachend aus. »Und was für eine noch dazu!« Seine Kumpane drängten in den Raum, um dieses Wunder zu bestaunen. Die Augen des Mädchens blitzten vor Wut, aber diese Wut war mit Furcht gemischt.
    Aus dem hochlehnigen Stuhl am Tisch erhob sich ein Mann in mittleren Jahren, dem das westindische Klima ganz offenkundig böse mitgespielt hatte. Er sah fiebrig aus; seine Augen glänzten allzu hell, und hie und da überlief ihn ein Schauder. Er trug einen langen, pelzgefütterten Mantel, eine Kappe, die den Kopf eng umschloß, und stützte sich auf einen Stock. Neben ihm stand ein Franziskanerpater in schwarzem Habit, den jedoch nichts anderes als sein Rosenkranz interessierte, den er durch die Finger gleiten ließ, wobei er unaufhörlich Gebete murmelte. Der andere schleppte sich mühsam vorwärts und stellte sich vor seine Tochter, um sie vor den gierigen Blicken zu schützen. »Ich verlange, vor Euren Kapitän geführt zu werden«, sagte er auf spanisch. »Ich bin Don Manuel de Rada y Sylva, der ehemalige Gouverneur der Insel Santiago.«
    Die englischen Seeleute verstanden wahrscheinlich nichts von seinen Worten. Einige von ihnen drängten sich vor und schoben Don Manuel beiseite. »Verschwind, Graubart!« riet ihm William Hick und hob mit seiner schmutzigen Hand das Gesicht des Mädchens hoch. »Ein hübsches Ding. Gib mir einen Kuß, Mädchen!«
    Statt dessen ertönte das scharfe Klatschen einer Ohrfeige. William Hick fuhr betroffen zurück und hielt sich die Wange. »Was, eine Beißzange …«
    John Daw ergriff das Mädchen und preßte es an sich, wobei er mit seinen riesigen Pratzen ihre Arme festhielt. »Langsam, mein Herz, langsam«, kicherte er und gab ihr einen schallenden Kuß. »So macht man das, Burschen!«
    Don Manuel, der von zwei Seeleuten gehalten wurde, rief verzweifelt: »Laßt sie los! Euren Kapitän! Ich verlange, Euren Kapitän zu sprechen!«
    Sie
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