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Der tolle Nick

Der tolle Nick

Titel: Der tolle Nick
Autoren: Georgette Heyer
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verstanden die letzten Worte, die sie etwas ernüchterten. »Na gut, bringen wir sie vor den General. Das ist sicherer.« John Daw stieß William Hick beiseite, der den Anhänger am Hals des Mädchens umklammert hielt. »Laß sie los! Willst du denn, daß dich der verrückte Nick erwischt? Komm, Mädchen, auf Deck mit dir!«
    Man schob das widerstrebende Mädchen zur Tür. Sie wußte nicht, was man mit ihr vorhatte, und wehrte sich heftig gegen die Hände, die sie vorwärts zogen, doch mit wenig Erfolg. »Verdammtes Luder!« knurrte Hick, dessen Wange noch immer von der Ohrfeige brannte, die er empfangen hatte. Er hob sie hoch und trug sie die Leiter zum Hüttendeck empor.
    Dort standen schon andere Seeleute, die das Erscheinen dieser wütenden, verstörten Frauensperson mit Erstaunen und Spott vermerkten. Hick setzte sie ab, und sie fiel sofort wie eine Wildkatze über ihn her. Sie überhörte die warnenden Rufe ihres Vaters, den seine Wächter ebenfalls auf Deck gebracht hatten, und schlug auf Hick ein, trampelte auf seinen großen Füßen herum und zerkrallte das bärtige Gesicht mit ihren Nägeln. Wieder ergriff man sie und hielt sie fest, und die beiden grinsenden Seeleute zu ihren Seiten umklammerten ihre Fäuste. Einer faßte sie unters Kinn und brach in dröhnendes Gelächter aus, als sie den Kopf wütend hochwarf. »Kleines Täubchen, sanftes Kätzchen …« bemerkte John Daw sarkastisch.
    Die Seeleute drängten sich um das Mädchen, erstaunt, spöttisch, und weideten sich an ihrem Anblick – mit schmatzenden Lippen, vielsagendem Augenzwinkern und schmutzigen Bemerkungen. Sie begann zu zittern.
    Da ertönte plötzlich eine gebieterische Stimme aus der Menge, die sie umgab. »Zur Hölle! Was soll das? Macht Platz!«
    Zwei Seeleute taumelten unter der Wucht des eisernen Griffes an ihren Schultern zur Seite. Das Mädchen blickte erschrocken auf und direkt in das Gesicht El Beauvallets.
    Er hatte den Helm abgenommen, und sie sah sein krauses schwarzes Haar, das sich eng an den Kopf legte, und die blauen Augen – so blau wie das Meer im Sonnenschein. Es waren wache, fröhliche Augen, scharf und aufmerksam, und doch mit einem Ausdruck der Sorglosigkeit.
    Sie blickten noch immer fröhlich, als er erstaunt stehenblieb. Er starrte das Mädchen an; dann hob er ungläubig die Brauen; Sir Nicholas Beauvallet schien seinen Augen nicht zu trauen und das Bild, das sich ihm bot, für ein Phantasiegebilde zu halten.
    Mit raschem Blick erfaßte er jede Einzelheit, und das Lachen schwand aus seinen Augen. Er handelte rasch, zu rasch für Hick, der noch immer das Handgelenk des Mädchens festhielt. Seine Faust traf Master Hick direkt am Kinn und sandte ihn in weitem Bogen zu Boden. »Schurken! Dummköpfe!« schrie Beauvallet mit wütender Stimme und wandte sich um, um John Daw dasselbe Schicksal zuteil werden zu lassen.
    Aber Master Daw hatte das Handgelenk schon losgelassen und das Weite gesucht.
    Beauvallet wandte sich an die Dame: »Ich bitte tausendmal um Vergebung, Señora!« sagte er, als wäre nichts Besonderes geschehen.
    Die Dame konnte nichts anderes als sich eingestehen, daß ein gutaussehender junger Mann mit einem unwiderstehlichen Lächeln vor ihr stand. Mühsam verbiß sie sich ein Lächeln; einem englischen Piraten konnte man doch nicht freundlich gegenübertreten. »Laßt meinen Vater los, Señor!« befahl sie hochmütig.
    Ihr Tonfall schien Beauvallet zu erheitern; er schüttelte sich vor Lachen. Er blickte sich nach dem Vater der Dame um und sah ihn zwischen den beiden Wächtern stehen, die ihn aber eiligst losließen und verlegen zurücktraten.
    Don Manuel zitterte und war aschfahl. Er verlangte nochmals atemlos: »Ich verlange, den Kapitän zu sprechen!«
    »Ich bitte tausendmal um Vergebung«, wiederholte Beauvallet. »Ihr steht vor dem Kapitän, Nicholas Beauvallet, zu Euren Diensten.«
    Das Mädchen schrie auf. »Ich wußte es ja! Ihr seid El Beauvallet!«
    Beauvallet drehte sich wieder zu dem Mädchen um, zog die Brauen hoch und blitzte sie fröhlich an. »In Person, Señora. Und ganz zu Euren Füßen.«
    »Ich«, unterbrach ihn Don Manuel mit eisiger Höflichkeit, »bin Don Manuel de Rada y Sylva. Ihr steht vor meiner Tochter, Doña Dominica. Ich verlange, den Grund dieser Freveltaten zu erfahren.«
    »Freveltaten?« wiederholte Beauvallet ehrlich erstaunt. »Was für Freveltaten?«
    Don Manuel wurde rot vor Zorn und zeigte mit zitternder Hand auf das verwüstete Schiff. »Das fragt Ihr noch,
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