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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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um ihn zum Verstummen zu bringen,
aber er führte die Bewegung nicht zu Ende.
Die Kirchentür hatte sich geöffnet, und ein Mann in
schwarzer Priesterrobe trat heraus. Ihm folgten zwei weitere
Gestalten, die in eine merkwürdige Uniform gehüllt waren:
Topfhelme, Kettenhemden und kurze Röcke aus Lederstreifen,
die mit blitzenden Kupfernieten beschlagen waren. Sie trugen
Breitschwerter. Ihrer Aufmachung nach zu urteilen, stammten
die beiden aus einem anderen Jahrhundert. Dennoch waren sie
vielleicht die Einzigen im Ort, um die er sich Gedanken machen
musste, sollte es zu einem Kampf kommen. Seine Hand schloss
sich um den Schwertgriff, ohne dass er sich der Bewegung auch
nur bewusst gewesen wäre.
Die beiden Bewaffneten zerrten eine dritte Gestalt zwischen
sich her, deren Handgelenke mit langen Seilen gefesselt waren.
Sie trug ein einfaches, schmutz-starrendes Gewand, und das
lange Haar hing ihr wirr in die Stirn, sodass Andrej ihr Gesicht
nicht erkennen konnte.
»Was haben die vor?«, murmelte Abu Dun.
Genau das fragte sich Andrej auch. Zweifellos war die
gefesselte Gestalt das nächste Opfer, das für den Scheiterhaufen
vorgesehen war - aber die Hitze des brennenden Reisigstapels
war so gewaltig, dass sich ihm niemand auf mehr als fünf
Schritte nähern konnte, ohne sich selbst zu verbrennen. Feuer
dieser Intensität pflegten sich in ihrer Wut rasch selbst zu
verzehren, aber Andrej schätzte, dass es noch eine Weile dauern
würde, bis die Flammen weit genug heruntergebrannt waren,
um sich dem Pfahl zu nähern. Sie hatten also Zeit.
Andrej beobachtete stirnrunzelnd, wie die beiden
Bewaffneten langsam auf den Scheiterhaufen zugingen, wobei
sie immer weiter auseinander wichen. Die Stricke in ihren
Händen hielten sie dabei straff gespannt, sodass ihr
unglückseliges Opfer gezwungen wurde, mit weit
ausgebreiteten Armen zwischen ihnen auf den Scheiterhaufen
zuzustolpern. Als es die Hitze des Feuers spürte, bäumte es sich
verzweifelt auf und warf den Kopf in den Nacken, und Andrej
erkannte zum einen, dass es sich um eine Frau handelte, und
zum anderen - »Maria.’«
Andrej riss in der gleichen Bewegung das Schwert aus der
Scheide, in der er aufsprang und losstürmte. Immer wieder
Marias Namen schreiend, raste er den Hang hinab, fuhr wie ein
Wirbelsturm unter die völlig verblüfften Dorfbewohner und
stieß zwei oder drei Männer, die sich ihm in den Weg stellen
wollten, einfach zu Boden. Die anderen wichen erschrocken vor
ihm zurück, und Andrej stürmte weiter auf den Scheiterhaufen
zu. Er wusste nicht, ob Abu Dun ihm folgte, aber es war auch
nicht von Bedeutung.
Einer der beiden Bewaffneten hatte ebenfalls von ihm Notiz
genommen. Er ließ den Strick um Marias Handgelenk nicht los,
und er hörte auch nicht auf, sie auf den Scheiterhaufen
zuzuzerren, aber er fuhr trotzdem zu Andrej herum und riss
dabei mit der linken Hand das Schwert aus dem Gürtel. Andrejs
Waffe vollführte eine blitzartige, halbkreisförmige Bewegung,
und das Schwert des Soldaten wirbelte davon; zusammen mit
der Hand, die es hielt.
Der Mann starrte seinen eigenen Armstumpf aus
hervorquellenden Augen an, dann begann er in hohen, schrillen
Tönen zu kreischen und sank auf die Knie, und Andrej stürmte
in unvermindertem Tempo an ihm vorbei und griff seinen
Kameraden an.
Der Mann hatte das Seil losgelassen und sein eigenes Schwert
gezogen, das er nun mit beiden Händen hielt, und er erwies sich
als weitaus wendiger als sein Kamerad. Andrej musste dreimal
zuschlagen, bis er ihn überwand. Mit dem dritten Hieb
enthauptete er den Mann.
Noch bevor der plötzlich kopflose Leichnam zu Boden sank,
wirbelte Andrej herum, war mit einem einzigen Satz bei dem
Priester und stieß ihm das Schwert bis ans Heft in die Brust.
Der Mann starb schnell, aber Andrej erkannte an dem Ausdruck
in seinen Augen, dass es kein gnädiger Tod war. Er starb in der
festen Überzeugung, dem Satan gegenüberzustehen, und Andrej
hoffte inständig, dass er ihm nach seinem Ableben auch
wirklich begegnen würde, falls es so etwas wie ein Jenseits
tatsächlich gab.
Er riss das Schwert aus der Brust des Sterbenden, fuhr herum
und war mit zwei gewaltigen Sätzen bei Maria, die zu Boden
gesunken war und sich vor Angst und Schmerz krümmte.
Aber es war nicht Maria. Sie sah ihr nicht einmal ähnlich. Das
Mädchen war allerhöchstens sechzehn und hatte strähniges
rotblondes Haar, und sein Gesicht war vermutlich hübsch, wenn
man sich den Schmutz, die
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