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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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allmählich über seine Haut auszubreiten schien, Kein
Schorf. Fell, dachte Andrej entsetzt.
Thobias ging auf Martius zu, hob den Arm und löste die Hand
des Inquisitors gewaltsam von dem goldenen Kruzifix. Mit
einem Ruck riss er die Kette entzwei und schleuderte das
Kruzifix davon. Dann hob er Martius’ Hand langsam vor sein
Gesicht und betrachtete aus glitzernden Augen das Blut, das
darauf schimmerte. Er schnüffelte, wie ein Hund, der Witterung
aufgenommen hatte - und begann langsam, das Blut von
Martius’ Handrücken zu lecken.
Der Inquisitor stöhnte. »Teufel!«, keuchte er. »Du … du
Teufel!«
Thobias ließ seine Hand los und trat einen Schritt zurück.
Sein Lächeln erlosch. »Warum musstet Ihr hierher kommen?
Was haben wir Euch getan, Euch und Eurer allwissenden
Kirche, Exzellenz?« Seine Augen blitzten, und für einen
Moment schien etwas Dunkles, Tierisches durch seine Züge zu
schimmern. »Wir wollten nichts weiter als das, was alle wollen
- in Frieden unser Leben leben. Warum konntet Ihr uns nicht
einfach in Ruhe lassen?«
»Teufelsbrut!«, keuchte Martius. »Ihr werdet brennen! Ihr
werdet für alle Ewigkeiten in der Hölle brennen!«
»Ja, das mag sein«, sagte Thobias. Er schüttelte den Kopf, als
hätte er eingesehen, wie sinnlos es war, das Gespräch
fortzuführen. Einen Moment lang musterte er Martius noch
nachdenklich, dann trat er wieder an die Liege seines Vaters
heran.
Ludowig hatte die Augen geöffnet. Sein Blick flackerte. Es
waren die Augen eines Mannes, der die Hölle gesehen hatte,
dachte Andrej schaudernd.
Mit verzweifelter Kraft bäumte er sich gegen den fremden
Willen auf, der seinen Körper beherrschte, aber es war sinnlos.
»Gebt Euch keine Mühe, Andrej«, sagte Thobias, ohne ihn
auch nur anzusehen. Er hob die Schultern. »Oder versucht es
meinetwegen weiter.
Vermutlich seid Ihr es Eurem Stolz schuldig. Es macht keinen
Unterschied.«
Er beugte sich tiefer über seinen Vater und legte ihm die
flache Hand auf die Stirn. Ein beruhigendes Lächeln erschien
auf seinen Zügen, und als er weitersprach, war seine Stimme
sanft; als rede er mit einem kranken Kind. »Es wird alles gut.
Beweg dich nicht. Die Schmerzen werden gleich vergehen.«
»Was … was hast du … getan?«, keuchte Ludowig. Seine
Stimme klang verzerrt, voller Qual, und kaum noch wie die
eines Menschen.
»Es wird alles gut, Vater«, sagte Thobias. Er seufzte, richtete
sich wieder auf und sah erst Andrej, dann Martius an. »Bist du
zufrieden, Pfaffe?«, fragte er böse. »Freut es dich, zu sehen,
was du diesem alten Mann angetan hast - einem Mann, der sein
Leben in den Dienst desselben Gottes gestellt hat, in dessen
Namen du seine Brüder und Schwestern umbringst?«
»Hör auf, Gott zu lästern!« schrie Martius. »Mach ein Ende,
du Monstrum! Töte mich, aber ich werde am Ende doch
triumphieren, denn meine Seele wird an Gottes Seite sein,
während deine für alle Ewigkeiten in der Hölle brennt.«
»Töten?«, sagte Thobias stirnrunzelnd. »Nein. Hab keine
Angst, Martius.
Ich habe nicht vor, dich zu töten.«
»Thobias«, stöhnte Ludowig. »In Gottes Namen! Was … was
tust… du?«
Thobias wandte seine Aufmerksamkeit für einen kurzen
Moment wieder seinem Vater zu. Der alte Mann war
mittlerweile wieder so weit zu Kräften gekommen, dass er sich
aufsetzen konnte. Aber er hatte sich auch weiter verändert.
Seine Schulter war unförmig angeschwollen. Schwarzes,
borstiges Fell begann aus seiner Haut zu sprießen, und etwas
stimmte mit seinem Gesicht nicht mehr: Es schien auf einer
Seite auseinander zufließen, wie eine Maske aus weichem
Wachs, die zu lange in der Sonne gelegen hatte.
»Gleich, Vater«, sagte Thobias. »Ich erkläre es dir gleich. Du
wirst alles verstehen, glaub mir. Aber im Moment ist keine Zeit
dafür.« Er schüttelte den Kopf und sah Andrej vorwurfsvoll an.
»Irgendwann werdet Ihr begreifen, was für Schwierigkeiten Ihr
mir bereitet habt, mein Freund. Alles wäre so einfach gewesen,
hättet Ihr Euch nicht eingemischt.« Er seufzte erneut. »Nun zu
Euch, Exzellenz. Ihr werdet hinausgehen und genau das tun,
weshalb Ihr hergekommen seid. Sagt Euren Männern, dass
dieser ganze Ort vom Teufel besessen ist. Ihr müsst diesen
Höllenpfuhl auslöschen - das waren doch Eure eigenen Worte,
oder?« Er lachte hässlich. »Wie ich die Männer einschätze, die
Ihr mitgebracht habt, wird es Euch keine besondere
Überredungskunst kosten. Tötet sie alle. Vernichtet
Trentklamm. Niemand darf
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