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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu würgen.
»Allein …«, stammelte Thobias. »Ich erkläre es Euch, aber
allein. Nur Ihr und ich.«
»Seid Ihr von Sinnen?«, murmelte Martius. Aber seine
Stimme klang falsch. Die Worte sollten Empörung zum
Ausdruck bringen, aber seine Stimme klang völlig anders - als
koste es ihn all seine Kraft, die Worte auch nur auszusprechen.
»Glaubt mir, Martius, was ich Euch sagen werde, ist nur für
Eure Ohren bestimmt. Ihr wollt bestimmt nicht, dass jedermann
es hört.«
Martius starrte Thobias an. Sekundenlang spiegelte sich der
innere Kampf, den er ausfocht, deutlich auf seinem Gesicht,
dann nickte er; langsam und widerwillig.
»Also gut«, presste er mühsam hervor. Ebenso mühsam
drehte er sich zur Tür und hob die Hand. »Schließt die Tür.
Niemand kommt herein, bevor ich ihn rufe. Ihr beide bleibt
hier.«
Der letzte Satz galt den beiden Soldaten, die mit ihm
hereingekommen waren.
Beide Männer waren bereits auf dem Weg zur Tür gewesen
und hielten jetzt mit, leeren, schreckensbleichen Gesichtern
inne.
»Ganz, wie Ihr wünscht, Herr«, sagte Thobias mit seltsamer
Betonung. Er legte den Riegel vor, drehte sich ohne die
mindeste Hast herum und trat auf einen der beiden Soldaten zu.
Ein sonderbarer Ausdruck, fast ein Lächeln, erschien auf
seinem Gesicht, als er die Hand hob und auf den zweiten
Soldaten deutete.
»Töte ihn«, befahl er.
Andrej wollte sich auf ihn stürzen, aber er konnte es nicht. Er
hatte die Herrschaft über seinen Körper noch immer nicht
wiedererlangt.
Ebenso wenig wie der bedauernswerte Soldat. Der Mann
starrte Thobias aus aufgerissenen Augen an. Er begann zu
zittern. Ein gequälter Ausdruck erschien auf seinen Zügen, als
er die Armbrust hob und sich halb herumdrehte.
Unendlich langsam, wie gegen einen furchtbaren,
unsichtbaren Wiederstand ankämpfend, richtete er die Waffe
auf seinen Kameraden.
»Nein«, wimmerte er. »Ich … ich kann … das … nicht.«
»Tu es!«, sagte Thobias lächelnd.
Der Soldat wimmerte wie unter unerträglichen Schmerzen,
hob die Armbrust weiter und betätigte den Abzug. Sein
Kamerad wurde nach hinten geschleudert und brach lautlos
zusammen, und der Soldat ließ keuchend die Waffe fallen. Er
krümmte sich.
»Gut gemacht«, lobte Thobias. »Jetzt du. Dein Dolch!«
»Herr!«, stammelte der Mann. »Ich …«
Thobias stieß einen unwilligen Laut aus, riss den Dolch aus
dem Gürtel des Mannes und stieß ihm die Klinge bis ans Heft in
die Brust. Er seufzte.
Lächelnd drehte er sich zu Andrej und Martius um, schüttelte
bedauernd den Kopf und warf den Dolch zu Boden.
Das helle Klirren brach den Bann. Von einem Herzschlag auf
den anderen reagierte Andrej. Mit einer blitzschnellen
Bewegung bückte er sich nach dem Schwert, das Martius fallen
gelassen hatte, riss es hoch und stürzte weiter.
»Nicht doch«, sagte Thobias.
Andrej erstarrte. Mit einem ungläubigen Keuchen taumelte er
zurück, blieb stehen und blickte seine rechte Hand an, die einen
eigenen Willen entwickelt zu haben schien und sich langsam
senkte. Die Finger öffneten sich, und das Schwert klirrte ein
zweites Mal zu Boden.
»Das ist schon besser«, lobte Thobias. »Ihr seid stark, Andrej.
Erstaunlich stark. Ich muss Euch besser im Auge behalten,
scheint mir. Aber Ihr werdet einen umso wertvolleren
Verbündeten abgeben, wenn Euch das ein Trost ist.«
Verzweifelt stemmte sich Andrej gegen die unsichtbaren
Fesseln, die seinen Willen gefangen hielten, aber es gelang ihm
nicht, sie auch nur zu lockern.
Der fremde Wille, der den Befehl über seinen Körper
übernommen hatte, war nicht Thobias’ Wille. Es war etwas
anderes, Stärkeres. Etwas, das tief in ihm geschlummert und auf
seine Gelegenheit gewartet hatte. Der Wolf war endgültig
erwacht.
»Kämpfe nicht dagegen an, Andrej«, sagte Thobias sanft. »Es
ist sinnlos. Du gehörst schon mir. Hör auf, dich zu wehren. Du
bereitest dir nur selbst Qual. Und es gibt nichts, was du fürchten
müsstest, glaub mir.«
»Was … bist … du?«, stammelte Martius. Er umklammerte
immer noch das Kruzifix. Blut lief über seinen Handrücken und
zeichnete eine gezackte rote Spur bis in seinen Ärmel hinein.
»Du bist der Teufel!«
»Nicht doch«, sagte Thobias kopfschüttelnd. Er warf einen
raschen, prüfenden Blick auf seinen Vater - der alte Mann
zitterte immer noch wie unter Krämpfen, aber die schreckliche
Schulterwunde hatte sich mittlerweile fast ganz geschlossen.
Darunter war etwas Dunkles zum Vorschein gekommen, das
sich
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