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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Autoren: Lawrence Wright
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Auftreten der amerikanischen Frau, „die sich der Schönheit ihres Körpers wohl bewusst ist, ihres Gesichts, ihrer aufregenden Augen, ihrer vollen Lippen, ihrer schwellenden Brüste, ihres sich wölbenden Gesäßes und ihrer schlanken Beine. Sie trägt helle Farben, die niedere sexuelle Instinkte wecken und nichts verbergen, und dazu kommt das betörende Lachen und der herausfordernde Blick.“ 37 Es lässt sich erahnen, was für ein unwiderstehliches Objekt sexueller Anzüglichkeiten er abgegeben haben muss.
    Am 12. Februar 1949 wurde Hassan al-Banna, der Führer der Muslimbruderschaft, in Kairo ermordet. Qutb berichtete, dass es vor seinem Krankenhausfenster auf der Straße einen Tumult gegeben habe. Er erkundigte sich nach dem Anlass für den Jubel. „Heute ist der Feind des Christentums im Orient umgekommen“, teilten ihm die Ärzte laut seiner Aussage mit. „Heute ist Hassan al-Banna getötet worden.“ 38 Es erscheint allerdings kaum glaubhaft, dass sich Amerikaner im Jahr 1949 so sehr für die ägyptische Politik interessierten, dass sie die Nachricht vom Tod al-Bannas feierten. Immerhin war die Ermordung der New York Times eine Meldung wert: „Scheich Hassans Anhänger waren ihm fanatisch ergeben, und viele behaupteten, nur er allein könne die arabische und die islamische Welt retten“, berichtete die Zeitung. 39 Für Qutb, der hier in einem fremden Land im Krankenhaus lag, war die Nachricht ein schwerer Schock. 40 Qutb und Banna waren sich zwar nie persönlich begegnet, aber sie schätzten sich sehr. 41 Sie waren beide im Oktober 1906 geboren worden, mit nur wenigen Tagen Abstand, und hatten dieselbe Schule besucht, Dar al-Ulum, eine Lehrerausbildungsstätte in Kairo, allerdings zu unterschiedlichen Zeiten. Ähnlich wie Qutb war Banna eine gebildete und charismatische Persönlichkeit, aber auch ein Mann der Tat. Er gründete 1928 die Muslimbruderschaft, die sich das Ziel setzte, Ägypten in einen islamischen Staat umzuwandeln. Schon nach wenigen Jahren hatte sich die Bruderschaft im ganzen Land ausgebreitet und bald auch in der arabischen Welt, wo sie den Keim für die kommende islamische Erhebung legte.
    Bannas Stimme verstummte zur selben Zeit, als Qutbs Buch Soziale Gerechtigkeit im Islam erschien, jenes Werk, das ihn als bedeutenden islamischen Denker ausweisen sollte. Qutb hatte sich demonstrativ von Bannas Organisation ferngehalten, obwohl er ähnliche Auffassungen hinsichtlich der politischen Zielsetzungen des Islams vertrat; nach dem Tod seines Zeitgenossen und intellektuellen Rivalen stand seinem Beitritt zu den Muslimbrüdern nichts mehr im Wege. Dies war ein Wendepunkt, sowohl im Leben Qutbs als auch für die Entwicklung der Organisation. Aber in diesem schicksalsträchtigen Augenblick war der natürliche Anwärter für die Führung der islamischen Erweckungsbewegung fern der Heimat, allein, krank und unerkannt.
    Doch Qutbs Anwesenheit in Washington blieb nicht völlig unbeachtet. Eines Abends wurde er von James Heyworth-Dunne eingeladen, einem britischen Orientalisten, der zum Islam konvertiert war. Dunne warnte Qutb vor den Muslimbrüdern, die seiner Ansicht nach die Modernisierung der islamischen Welt verhinderten. „Sollten die Muslimbrüder an die Macht gelangen, wird Ägypten niemals vorankommen und ein Hindernis für die Zivilisation sein“, erklärte er Qutb angeblich. 42 Dann bot er Qutb an, sein neues Buch ins Englische zu übersetzen und ihm ein Honorar von 10 000 Dollar zu zahlen 43 , eine fantastische Summe für ein solch spezielles Werk. Qutb lehnte ab. Später äußerte er die Vermutung, Heyworth-Dunne habe ihn möglicherweise als Zuträger für die CIA rekrutieren wollen. „Ich war entschlossen, der Bruderschaft beizutreten, schon bevor ich sein Haus verließ“, erklärte er. 44
     
    GREELEY in Colorado war eine prosperierende ländliche Siedlung nordöstlich von Denver, als der Rekonvaleszent Qutb im Sommer 1949 dort ankam und im Colorado State College of Education Kurse belegte. (Heute ist dies die Universität von Northern Colorado.) Dieses College galt damals als eine der fortschrittlichsten Lehrerbildungseinrichtungen in Amerika. Die Sommerkurse waren sehr gefragt bei Lehrern aus allen Landesteilen, die sich hier weiterbildeten, das angenehm kühle Wetter genossen und Ausflüge in die nahe gelegenen Berge unternahmen. 45 Abends fanden klassische Konzerte statt, Vorträge, Veranstaltungen zur Erwachsenenbildung und Freiluft-Theateraufführungen auf dem
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