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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar
Autoren: Colin Dexter
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gewünscht. Ständig haben sie mich bearbeitet: Ich sollte mir Mühe geben im Leben, dies tun und jenes lassen, sie erwarteten große Dinge von mir. Im Grunde war es so was wie seelische Erpressung.«
    »Hast du sie geliebt?«
    Morse nickte. »Besonders meinen Vater, auch wenn er getrunken und gespielt hat. Er war sehr ungebildet, aber er konnte die Lays of Ancient Rome von Macaulay auswendig und hatte alles gelesen, was über Captain Cook, den größten Helden seines Lebens, gedruckt vorlag. ›Captain James Cook, 1728 bis 1779‹, so hat er ihn immer genannt.«
    »Und deine Mutter?«
    »War eine sanfte Seele. Quäkerin.«
    »Eigentlich ist es ja dann durchaus erklärlich«, sagte Janet nachdenklich.
    »Mag sein«, erwiderte Morse.
    »Willst du direkt zu den Römischen Bädern?«
    »Warum fragst du?«
    »Oder erst ein Bier?«
    »Denk dran, daß ich zuckerkrank bin.«
    »Ich mach dir deine Injektion«, versprach sie. »Aber nur, wenn du mir einen Gefallen tust. Bin gleich wieder da.«
    Morse sah ihr nach, als sie in einem Andenkenladen verschwand, betrachtete die geraden, wohlgeformten Beine über den hochhackigen Schuhen, das dunkle, wellige, hochfrisierte Haar und dachte, daß er ihr fast jeden Gefallen tun würde, den sie sich von ihm erbat.
     
    Als Morse vom Tresen zurückkam, holte sie die Karte hervor.
    »Was soll denn das sein?« fragte er.
    »Für wen soll denn das sein, meinst du wohl. Für Sergeant Lewis. Du hängst sehr an ihm, nicht?«
    »An Lewis? Blödsinn.«
    »Du hängst sehr an ihm, nicht?« wiederholte sie.
    Vor ihrem durchdringenden, wissenden Blick schlug Morse die Augen nieder. Er sah auf die schöne Schaumkrone in seinem Glas hinunter und nickte.
    »Weiß der Himmel, warum.«
    »Ich möchte, daß er diese Karte von dir bekommt.«
    »Wozu denn? Am Montag sehen wir uns doch im Dienst.«
    »Ich möchte, daß er diese Karte von dir bekommt«, wiederholte sie. »Du kannst sie ihm nach Hause schicken. Er hat es verdient, deinen Vornamen zu erfahren. Findest du nicht?«
     

Schlußgesang
     
    Montag, 18. März
     
    Diese Liste ist nicht für jeden Tom, Dick und Harry. Zusammengestellt hat sie Everett Williams, Leiter des Amtes für Statistik in Florida, und sie umfaßt die 150 ungewöhnlichsten Namen, denen er in seiner vierunddreißigjährigen Amtszeit begegnet ist. Hier einige Beispiele: Tootsie Roll, Curlee Bush, Emancipation Proclamation Cogshell, Candy Box, Starlight Cauliflower Shaw, Determination Davenport. Manche Eltern, meint Williams, haben wohl einen ganz eigenen Sinn für Humor – oder aber etwas gegen ihre Sprößlinge.
    ( Gainesville Gazette, 16. Februar 1971)
     
    Am Montag abend überreichte Mrs. Lewis ihrem Mann eine Postkarte.
    »Für dich. Von Inspector Morse.«
    »Du hast sie gelesen?«
    »Aber ja, was denkst du denn?«
    Lewis erhob – den Geruch von Pommes frites schon in der Nase – keinen Protest. Nachdem er sich die Vorderseite der Karte angesehen hatte, eine Luftaufnahme von Bath mit dem Royal Crescent und dem Circus , drehte er sie um und las, was Morse mit seiner kleinen, sauberen Schrift auf die Rückseite geschrieben hatte und was ihn so sehr bewegte, daß er, als Mrs. Lewis von der Küche her rief, die Eier seien fertig, ein Taschentuch herausnehmen und so tun mußte, als ob er sich die Nase schnaubte.
    Der Text lautete:
     
    Für Philister Ihres Schlages, Lewis, wie auch für mich als Altphilologen zählt diese Stadt mit ihren Bädern und Tempeln zu den schönsten in Europa. Sie sollten mal mit Ihrer Frau hinfahren.
    Habe ich mich übrigens bei Ihnen schon für Ihre wenigen (!) Beiträge zu unserem letzten Fall bedankt? Wenn nicht, lassen Sie mich das jetzt nachholen, lassen Sie mich Ihnen für alles danken, mein lieber alter Freund.
    Immer der Ihre
    Endeavour (Morse)
     

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