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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar
Autoren: Colin Dexter
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ihm ein Wagen Gas wegnahm und sich das Fenster des vorderen Beifahrersitzes elektrisch nach unten bewegte.
    »Kann ich Sie mitnehmen?«
    »Ja, hallo! Nein, danke, ich wohne nur ein paar Schritte …« Morse deutete unbestimmt in Richtung des A40-Krei-sels.
    »Alles okay bei Ihnen?«
    »Bestens. Hätten Sie nicht Lust mitzukommen und sich meine Penthouse-Suite anzusehen?«
    »Hatten Sie nicht gesagt, es ist eine Wohnung?«
     
    Strange war sichtlich erstaunt, Morse am Freitag mittag im Büro vorzufinden, verzichtete aber auf seine üblichen Sticheleien.
    »Können Sie heute nachmittag mal wegen dieser Formulare vorbeikommen?«
    »Am besten machen wir es gleich, Sir.«
    »Warum so eilig?«
    »Ich bin heute nachmittag außer Haus.«
    »Dienstlich?«
    »Ja.«
    Strange warf Morse einen schlauen Blick zu. »Warum sind Sie denn dann so verdammt guter Laune?«
    »Ja, wenn man wieder mal einen Fall gelöst hat …«
    »Hm. Wo ist übrigens Lewis?«
    »Es gibt noch viel zu tun.«
    »Warum helfen Sie ihm dann nicht dabei?«
    »Ich fahre übers Wochenende weg.«
    »Glückspilz! Mich hat meine Frau zum Rasenmähen verdonnert.«
    »Ich habe nur den Blumenkasten vor dem Fenster.«
    »Ist was drin?«
    Morse schüttelte – vielleicht ein bißchen betrübt – den Kopf.
    »Äh – haben Sie was Spezielles vor?« fragte Chief Superintendent Strange.
     

68
     
    Von Mum und Dad kriegst du nur Shit,
    Auch wenn’s nicht so gemeint ist.
    Sie geben dir die eignen Fehler mit
    Und sonst noch ganz viel Bockmist.
    (Philip Larkin, This Be the Verse )
     
    Nachdem sie die Augen aufgeschlagen hatte, wußte Janet McQueen sekundenlang nicht, wo sie war oder was sie getan hatte. Allmählich aber kam, während sie sich in der lindgrünen Bettwäsche wohlig rekelte, die Erinnerung zurück …
     
    »Jetzt ahne ich schon, wohin wir wollen«, hatte sie gesagt, als sie bei der Ausfahrt 18 auf die A46 abgebogen waren. »Bed and Breakfast in Bath. Stimmt’s?«
    »Du wirst schon sehen.«
    Der Jaguar bog in den Circus ein, in die Brock Street, rollte über eine kopfsteingepflasterte Straße und hielt neben einer großen Magnolie. Sie sah mit großen Augen auf das Hotel und legte wie im Gebet die gepflegten ringlosen, manikürten Hände zusammen.
    »Wie schön!«
    Morse wandte sich der Frau zu, die in marineblauem Nadelstreifenkostüm und smaragdgrüner Seidenbluse mit V-Ausschnitt neben ihm saß.
    »Du bist auch schön, Janet«, sagte er leise.
    » Hier hast du uns einquartiert?«
    Morse nickte. »Bißchen extravagant, ich weiß. Ja, ich hab für mich die Sarah Siddons-Suite gebucht.«
    »Und für mich?«
    »Auch die Sarah Siddons-Suite.«
    Sie lächelte zufrieden, während der Portier die Beifahrertür öffnete.
    »Willkommen im Royal Crescent Hotel , Madam!« Sie hatte plötzlich das Gefühl, eine wichtige Persönlichkeit zu sein. Und fand das wunderbar.
    Morse saß – bereits angezogen, gewaschen, rasiert – ganz in ihrer Nähe und las die Times.
    »Hallo«, sagte sie leise.
    Er beugte sich vor und küßte sie leicht auf den Mund. »Kopfschmerzen?«
    »Ein bißchen.«
    »Weißt du, was dein Problem ist? Du trinkst zuviel Champagner.«
    Sie lächelte (sie lächelte ständig an diesem Wochenende), als sie an das Glück ihrer gemeinsamen Nacht dachte. Dann warf sie die Steppdecke zurück, stieg aus dem Bett, blieb kurz neben ihm stehen und legte ihre Wange auf seinen Scheitel.
    »Ich dusche nur schnell.«
    »Keine Eile.«
    »Du kannst ja versuchen, das Kreuzworträtsel zu machen, ehe ich mich angezogen habe. Mal sehen, wer zuerst fertig ist.«
    Aber Morse schwieg, denn er hatte das Kreuzworträtsel schon fertig und dachte an die Zeile von Philip Larkin, die viele Jahre lang für ihn eine Art Mantra gewesen war:
    Aufs Frühstück wartend, während sie das Haar sich bür s tete.
    Am späten Vormittag gingen sie dann eingehakt durch die Innenstadt, immer den Schildern zu den Römischen Bädern nach.
    »Soll ich weiter ›Morse‹ zu dir sagen?« fragte sie.
    »Es wäre mir schon lieber.«
    »Wie Sie wünschen, Sir.«
    »Du redest wie Lewis, der nennt mich auch immer ›Sir‹.«
    »Und wie nennst du ihn?«
    »Lewis.«
    »Weiß er , wie du mit Vornamen heißt?«
    »Nein.«
    »Wieso bist du eigentlich mit so einem Namen geschlagen?«
    Morse zögerte einen Augenblick. »Meine Eltern mußten beide früh von der Schule abgehen«, sagte er dann, »und hatten eigentlich nie so recht eine Chance im Leben. Ruhm und Ehre, das haben sie sich immer für mich
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