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Der Tigermann

Der Tigermann

Titel: Der Tigermann
Autoren: Lecale ERrol
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Schlafwandlerin einem kurvenreichen Pfad, der jedoch zweifellos Richtung Stadt führte.
    Skeptisch folgte ihr der Jäger mit seinem Spurenleser, der nach wie vor mit der Nase fast auf dem Boden schnüffelte.
    Nach einer halben Stunde änderte sich das Terrain von steinigem, sonnengedörrtem Lehmboden zu schwachem Dschungelbewuchs und Elefantengras.
    »Halten Sie die Augen offen«, rief Grant Eli zu. »Hier könnten sich Büffel versteckt halten. Panther ebenfalls.«
    Eli warf ihm einen unwilligen Blick zu. Maras Konzentration durfte keinesfalls gestört werden. Hugo flüsterte in Grants Ohr, und Grant entsicherte seine Elefantenbüchse.
    Die Männer schwitzten in der glühenden Hitze, aber Mara schien die Temperatur überhaupt nicht zu spüren. Sie näherten sich nun dichterem Dschungel, und bald schlossen die ineinanderwachsenden Kronen der hohen Bäume die Sonne aus. Hier gab es kein Gras mehr, nur noch die weiche Schicht von vermodertem, verfaultem Laub. Die Luft war dumpfig, und Fungi wucherten an den Stämmen und aus dem Boden.
    Eli hörte die gutturalen Laute des Spurenlesers, dessen Stimme nun fast panikerfüllt klang. Grantantwortete in derselben Sprache, aber streng und zurechtweisend.
    »Vielleicht sollten wir lieber umkehren«, wandte er sich an Eli. »Obo hat einen sechsten Sinn. Er weigert sich weiterzugehen.«
    »Dann soll er hierbleiben«, schnaubte Eli. »Sie haben doch nicht vielleicht selbst Angst, Major?«
    Grant brummte etwas in seinen Bart, doch er folgte Eli. »Ich komme zwar mit«, erklärte der Major, »aber irgend etwas ist hier nicht ganz geheuer, das spüre ich ebenfalls. Lauschen Sie!«
    »Ich höre nichts«, antwortete Eli ungehalten.
    »Das ist es ja. Keine Vögel, keine Baumratten, keine Eidechsen, keine Affen, ja nicht einmal ein Luftzug, der die Blätter rascheln läßt.«
    Eli antwortete nicht. Er mußte sich voll auf Mara konzentrieren. Er spürte durch seine Hand, die er beruhigend auf ihren Arm gelegt hatte, das beginnende Zittern ihres Körpers. Er blickte sich wachsam um und bemerkte etwas, das ihm zuvor nicht aufgefallen war.
    Die Bäume um sie herum wuchsen nicht wirr und unregelmäßig wie normales Dschungelgehölz. Der Abstand zwischen den Stämmen betrug jeweils einen Meter. Sie befanden sich in einer uralten, wildüberwucherten Allee, die zu einem zerfallenen Tempel führte. Eli betrachtete die zerschmetterte Statue, die vom flachen Altar gestürzt war. Der Kopf fehlte, aber die Stümpfe der vier Arme verrieten ohne Zweifel, daß es sich um Kali gehandelt hatte. Kein Wunder, daß nichts Lebendes sich hierher wagte, zur Göttin des Todes.
    Welch unvorstellbares Grauen hatten diese zerfallenen Mauern gesehen? Welche Höllenqualen hatten unter dem nun fehlenden Dach erduldet werden müssen? Er vermeinte Blut in der Luft zu riechen, die qualvollen Schreie der Gemarterten zu hören, ehe sie in die Ewigkeit eingingen.
    Er versuchte die immer stärker bebende Mara zuberuhigen, indem er ihr hypnotisierend in die Augen blickte. Aber diesmal mußte er fast seine ganze geistige Kraft auf sie übertragen. Er fühlte, wie ihn eine lähmende Schwäche befiel.
    Doch es gab niemanden, der ihm in seiner Angst beistehen konnte. Es war keine physische Angst, die Eli empfand, als er vor dem uralten Altar stand. Hierher war der Tigermann gekommen, die Kreatur der Schattenwelt, Kalis Kreatur. Und wohin war er dann gegangen? Warum war er überhaupt hierhergekommen? Um Andacht zu halten? Um Blut des toten Kindes als Opfer auf dem Altar zurückzulassen?
    Hinter sich hörte Eli Major Grants Stimme. Sie klang leise und gepreßt. »Bei allen guten Geistern, Professor, bewegen Sie sich nicht!«
    Über der angespannten Stimme vernahm Eli das leise Geräusch einer gleitenden Bewegung durch das spärliche Gras des Tempelbodens.
    Ein Zischen durchdrang das lähmende Schweigen. Eli spürte, wie sich ihm die Haare am Nacken sträubten. Und nun war es physische Angst, die er empfand, Furcht und Ekel. Seine Angst vor Schlangen war fast unnatürlich, denn er wußte durchaus, daß Schlangen nur dann angriffen, wenn sie sich bedroht fühlten. Aber er fürchtete sich trotzdem.
    Aus dem rechten Augenwinkel sah er, wie eine Kobra auf ihn zuglitt und den Kopf zum Angriff hob. Sie hatte bereits ihren Hals aufgebläht. Die Brillenzeichnung war deutlich erkennbar.
    Von links hörte er nun ebenfalls ein Zischen. Seine Handflächen wurden feucht vor Angst.
    »Sie kommen von allen Seiten auf Sie zu.« Grants Stimme war
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