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Der Thron des Haryion

Der Thron des Haryion

Titel: Der Thron des Haryion
Autoren: Hubert Haensel
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fanden. Verständlich, daß man auf solch halsbrecherische Kletterkunststücke verzichtete und lieber über nicht ganz so steile Rampen abstieg. Stufen oder gar Treppen gab es nicht, sie hätten den Vogelwesen Schwierigkeiten bereitet. Zum Glück lag über allem ein ungewohnt heller Schimmer, der es leicht machte, sich in der fremden Umgebung zurückzufinden.
    Wenn Mythor den Kopf hob, sah er es unter der hohen Decke glitzern und funkeln wie am Sternenhimmel über Gorgan und Vanga. Aber diese Lichtpunkte bewegten sich.
    Je weiter man kam, desto stickiger wurde die Luft. Ein scharfer, beizender Geruch legte sich beklemmend auf die Atemwege. Auch wurde es wärmer. Die Amazonen in ihren Rüstungen begannen zu schwitzen, verloren aber kein Wort darüber. Ihre Haltung verriet angespannte Aufmerksamkeit.
    Der Gang wurde steiler. Zum Glück waren weder Boden noch Wände eine völlig glatte Fläche, sondern bestanden aus ineinander verflochtenen, nachgiebigen Ästen und anderen Materialien, und die Zwischenräume waren mit einer weißen, lehmartigen Masse angefüllt. Gelegentlich, an Abzweigungen oder engeren Teilstücken, staken Trittstangen in den Wänden.
    Asmilai blieb stets in Mythors Nähe. Es fiel auf, daß ihre Bemühungen sich immer mehr auf den Sohn des Kometen fixierten. Daß sie ihn als Anführer der Menschen anerkannte, könnte beileibe nicht der einzige Grund dafür sein. Es mußte noch etwas anderes geben – etwas, wovon selbst Robbin nichts ahnte. Burra jedenfalls zwängte sich an etlichen ihrer Kriegerinnen vorbei, bis sie sich unmittelbar hinter dem Gorganer befand. Fronja war jetzt neben ihr.
    Es ging nur langsam voran. Mythor schätzte, daß man sich inzwischen ungefähr hundert Schritte unterhalb des Eingangs befand, aber noch immer in den äußeren Bereichen des Stockes.
    »Wohin bringst du uns?« fragte er Asmilai. Die Haryie lächelte. »Es ist nicht üblich, Gäste in den schlechtesten Räumen zu bewirten«, erwiderte sie auf ihre schrill-kreischende Art. »Du wirst den Saal kennenlernen, in dem Feste gefeiert werden.«
    Weiter ging es. Wo immer Mythor den Eindruck gewann, als seien Teile der Gänge erst vor kurzem erneuert worden, lag ein besonders intensiver, beißender Geruch in der Luft. Dort ballten sich auch die Lichtpunkte zusammen, schwebten sogar bis dicht über dem Boden und stoben auseinander, sobald die Menschen ihnen nahe kamen.
    Mit blitzschneller Bewegung griff Mythor zu. Als er dann die Hand öffnete, lagen darin zwei winzige, scheinbar nur aus Flügeln bestehende Tierchen. Sie waren tot.
    »Du mußt noch viel lernen«, sagte Asmilai tadelnd. »Allerdings bin ich überzeugt, daß du schnell verstehen wirst, was für unseren Stock gut ist. Diese kleinen Wesen jedenfalls spenden uns Licht und Wärme und leben nur von dem, was die Wände ihnen geben.«
    Ausgerechnet Gerrek mußte auf dem stellenweise feuchten Untergrund ausgleiten. Mit der Linken fing er sich ab und zog sich wieder in die Höhe.
    Seine Hand war weiß verschmiert; als er den Lehm abstreifen wollte, stellte er fest, daß von diesem der Gestank ausging.
    Angewidert verzog er das Gesicht.
    »Möchte bloß wissen, was das für ein Zeug ist«, murmelte er wütend.
    Es kam selten vor, daß Robbin grinste, jetzt jedoch verzog er die Mundwinkel bis fast zu den Ohren hin.
    »Du hast wirklich keine Ahnung?«
    »Nein«, machte Gerrek. »Wieso? Was…?« Endlich schien er zu begreifen und sperrte entsetzt den Rachen auf.
    »Vogelmist!« bestätigte Robbin voll verhaltener Schadenfreude. »Was glaubst du denn, wie es in einem solchen Stock zugeht?« Er wandte sich an Asmilai: »Ihr seid bestimmt Hunderte.«
    »Ungefähr tausend«, bestätigte die Haryie. »Die Brut nicht einmal eingerechnet.«
    Gerrek schüttelte sich.
    »Dann leben diese Glühwürmchen oder was immer das für fliegende Viecher sind, von eurem, von… na ja.«
    Sie setzten den Weg fort. Die Gänge weiteten sich, wichen den ersten größeren Räumen, die sich ins Stockinnere hinzogen. Hier lagerten Vorräte, und es sah ganz so aus, als wäre zumindest ein Teil dieser Dinge den Nesfar nicht bloß als Treibgut zugefallen.
    Mythor bemerkte Robbins überraschten Blick. Um den vorspringenden, ausladenden Mund des Pfaders begann es zu zucken.
    »Räuberpack«, murmelte er.
    Kreischend und flügelschlagend stürmten einige Dutzend Haryien an ihnen vorbei. Unverkennbar, daß sie es eilig hatten, denn sie achteten nicht einmal auf Asmilai, der man sonst stets mit Ehrerbietung
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