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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt
Autoren: Robert Lyndon
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seinen Weg blockierte. Es war eine halb eingeschneite Hütte. Er schob sich an ihren Außenwänden entlang, bis er auf der windabgewandten Seite die Tür fand. Mit einem Fußtritt öffnete er sie und stolperte in einen vollkommen verräucherten Raum.
    Auf der anderen Seite des Feuers sprang eine Gestalt auf. «Bitte, tut uns nichts!»
    Vallon machte einen schlaksigen Jüngling mit wildem Blick aus. Im Feuerschein hinter ihm regte sich eine weitere Gestalt in unruhigem Schlaf. «Beruhige dich», knurrte Vallon und schob sein Schwert in die Scheide. Er drückte die Tür zu, klopfte sich den Schnee von den Gewändern und kauerte sich vor das Feuer.
    «Ich bitte Euch inständig um Verzeihung», stammelte der Jüngling. «Meine Sorge lässt mich nicht klar denken. Dieses Unwetter …»
    Die Gestalt in der Ecke murmelte etwas in einer Sprache, die Vallon nicht verstand. Der Jüngling hastete zu dem Lager.
    Vallon legte Dungstücke aufs Feuer und massierte sich die vor Kälte starren Hände. Dann zog er sich an die Wand zurück und nagte an einem Brotkanten. Rauchfäden umrankten die Lampe drüben in der Nische. Der Mann auf dem Lager schlief nicht. Seine Brust pfiff wie ein undichter Blasebalg.
    Vallon trank einen Schluck Wein, der Geschmack ließ ihn leicht zusammenzucken. «Dein Gefährte ist krank.»
    In den Augen des jungen Mannes schimmerte es feucht. «Der Meister stirbt.»
    Vallon hörte auf zu kauen. «Es ist doch nicht die Pest, oder?»
    «Nein, Herr. Ich glaube, ein Geschwür sitzt in seiner Brust. Der Meister kränkelt schon, seit wir Rom verlassen haben. Heute Morgen war er zu schwach, um auf sein Maultier zu steigen. Unsere Reisegefährten mussten uns zurücklassen. Mein Meister beharrte trotzdem darauf, dass wir weiterziehen, aber dann hat uns der Sturm eingeholt, und unser Knecht ist uns davongelaufen.»
    Vallon spie den sauren Wein aus und ging zu den beiden hinüber. Kein Zweifel, der alte Mann würde noch vor dem Morgengrauen von allen irdischen Sorgen befreit sein. Doch welches Leben war in seine Züge eingeschrieben – die Haut spannte sich straff über breite Wangenknochen, er hatte die Adlernase eines anspruchsvollen Edelmanns, ein dunkles Auge blickte verschleiert, das andere war nur noch eine Narbenhöhle. Seine Gewänder erzählten von Abenteuern in der Fremde – der seidene Mantel besaß Verschlüsse aus Elfenbeinknebeln, die Pluderhosen steckten in Stiefeln aus Ziegenleder, ein Zobelumhang lag um seine Schultern, der noch kostspieliger gewesen sein musste als der Ring, der an seiner knochigen Hand glitzerte.
    Der Blick aus dem dunklen Auge wanderte zu ihm. Die schmalen Lippen öffneten sich. «Du bist gekommen.»
    Vallons Nackenhaare stellten sich auf. Der Alte musste glauben, der Geist des Todes sei erschienen, um ihn durch die letzte Pforte zu geleiten. «Ihr täuscht Euch. Ich bin nur ein Reisender, der vor dem Sturm Schutz gesucht hat.»
    Der sterbende Mann nahm es zur Kenntnis. «Ein Pilger auf dem Weg nach Jerusalem.»
    «Ich reise nach Konstantinopel, um in die kaiserliche Leibwache einzutreten. Wenn ich durch Rom komme, zünde ich vielleicht in Sankt Peter eine Kerze an.»
    «Ein Glücksritter», sagte der alte Mann. «Gut, gut.» Dann murmelte er etwas auf Griechisch, was den Jüngling veranlasste, Vallon scharf anzusehen. Um Atem ringend tastete der alte Mann unter seinem Mantel herum, zog eine Mappe aus weichem Leder hervor und drückte sie seinem Begleiter in die Hand. Der junge Mann schien die Mappe nicht nehmen zu wollen. Da packte ihn der Alte am Arm und richtete eindringliche Worte an ihn. Bevor er eine Antwort gab, sah der Jüngling Vallon erneut an. Welche Antwort er dann auch immer gegeben haben mochte – sie schien dem Sterbenden zu genügen. Er ließ seine Hand vom Arm des jungen Mannes gleiten. Sein Auge schloss sich.
    «Er verlässt uns», murmelte der Jüngling.
    Da öffnete der Alte unvermittelt noch einmal sein Auge und fixierte Vallon. Er flüsterte etwas – es klang wie das Rascheln, mit dem zerknittertes Pergament glattgezogen wird. Dann wanderte sein Blick in ein Gefilde jenseits des Wahrnehmbaren. Als Vallon sich hinunterbeugte, war das Auge schon getrübt.
    Wie Nebel zog die Stille durch den Raum.
    «Was hat er gesagt?»
    «Ich weiß es nicht genau», sagte der junge Mann schluchzend. «Es war etwas über das Geheimnis der Flüsse.» Vallon bekreuzigte sich. «Wer war er?»
    Der Jüngling schniefte. «Cosmas von Byzanz, auch Monophalmos genannt, der
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