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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst
Autoren: Silvia Stolzenburg
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beschloss, bald eine Rast einzulegen. Wenn er erfror, half das niemandem. Vielleicht waren seine Sorgen ja unbegründet, und Sophia würde ihn mit offenen Armen willkommen heißen. Aber um das herauszufinden, musste er Ulm erst einmal lebend erreichen.
Edirne, Sultanspalast, Dezember 1448
    Der Padischah wird Euch bald empfangen, nur nicht heute.«
    Die Antwort war jeden Tag dieselbe, weshalb Vlad allmählich dem Verzweifeln nahe war. Der Mabeyinci – der Übermittler – machte sich inzwischen nicht einmal mehr die Mühe, eine bedauernde Miene aufzusetzen. Und langsam, aber sicher sah Vlad seine Felle davonschwimmen. Warum hatte Sultan Murad ihm nicht augenblicklich mehrere Hundertschaften Fußsoldaten und Reiter anvertraut, um Wladislaw wieder aus der Walachei zu vertreiben? Und warum ließ er ihn nicht zu sich vor? Das Gemach, in das man ihn kurz nach seiner Ankunft geführt hatte, war noch prächtiger als sein altes. Doch verglichen mit der Schlichtheit seines heimatlichen Palastes erschien es Vlad erstickend überladen. An Radu, der lediglich zwei Korridore von ihm entfernt residierte, wollte er nicht denken, da er fürchtete, der Zorn könne auch den letzten Rest Reinheit in ihm auslöschen. Diesen hatte er – genau wie die Erinnerung an Zehra – tief in seinem Herzen eingeschlossen, damit nichts und niemand ihn jemals beschmutzen konnte. Wann immer er seinen Gedanken erlaubte, zu Zehra zu wandern, erfüllte ihn ein Gefühl der Wärme, das ihm wenigstens für kurze Zeit Kraft und Zuversicht gab. Er würde wie versprochen zu ihr zurückkehren!
    Davon konnte ihn nicht einmal der Teufel höchstpersönlich abhalten! Selbst wenn sich die ganze Welt gegen ihn verschwören sollte, würde er sie schon bald wieder in seinen Armen halten. Und dann mochte kommen, was wollte! Er rieb sich über die Lippen, die manchmal prickelten, wenn er an seine Geliebte dachte. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Sultan einsah, dass es das Beste war, Vlad endgültig als Fürsten der Walachei einzusetzen. Und solange musste er sich eben noch in Geduld üben!
Ein Kloster in den Karpaten, Dezember 1448
    Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.« Zehra küsste das Kruzifix an ihrem Hals und erhob sich von der Kniebank des Altars, welchen die Mönche ihr bereitwillig in ihre kahle Kammer gebracht hatten.
    Dann band sie den warmen Mantel zu, den sie auch innerhalb des Gebäudes kaum ablegte, und schlüpfte durch die Tür.
    Rechts von ihr führte ein Säulengang zu der kleinen Kirche des Klosters, während sich links von ihr Gärten und Beete im Schatten des Glockenturmes versteckten. Die Mauern der Abtei hatten den gleichen Farbton wie die sie umgebenden Berge, von denen in den vergangenen Tagen immer wieder vereinzelte Schneebretter abgebrochen waren. Zum Glück wurden die Gebäude durch einen Überhang geschützt, sodass der Schnee keinen Schaden anrichten konnte, auch wenn er mehr und mehr dafür sorgte, dass sie von der Außenwelt abgeschnitten wurden. Die klirrende Kälte verursachte auch heute bei jedem Atemzug ein Stechen in Zehras Lungen, doch bereits nach wenigen Schritten ließ der Schmerz nach. Der tagsüber von der Sonne geschmolzene Schnee war in der Nacht wieder festgefroren, sodass es bei jedem Schritt unter ihren Schuhen knirschte. Über ihr erstreckte sich ein bleigrauer Himmel so weit sie sehen konnte, und es würde nicht mehr lange dauern, bis es erneut anfing zu schneien. Wie jeden Tag, steuerte sie auf den Hof der Anlage zu und umrundete diesen mehrmals, bis sie das Gefühl in ihren Fingern verlor und zitternd in die relative Wärme ihrer Kammer zurückkehrte. Zwar gab es nur im Refektorium des Klosters eine Feuerstelle, doch die dicken Wände hielten einen beträchtlichen Teil der Kälte ab. Sie zog den harten Stuhl von dem Tischchen in der Ecke des Raumes zurück und griff nach dem einzigen Trost, der ihr in der Einsamkeit der Berge blieb: einer einfach gestalteten Bibel. Nachdem sie eine Weile darin herumgeblättert hatte, blieb ihr Blick im Buch Matthäus haften und sie erschrak. Der Kindermord! Mit vor Kälte steifen Fingern schlug sie das Buch wieder zu und griff sich an den Bauch.
    Ihrem Kind würde nichts geschehen! Das würde Gott nicht zulassen! Seit dem Ausbleiben ihrer Blutung hoffte sie jeden Tag noch inständiger, dass Vlad sein Versprechen bald wahr machte; aber sie hatte sich geschworen, niemals den Glauben aufzugeben. Denn dass Gott barmherzig war, wusste sie,
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