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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst
Autoren: Silvia Stolzenburg
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jetzt so sehr wie den des Himmels in den Kerkern der Festung Egrigöz. Während sich der harte Klumpen in seiner Kehle ausdehnte, kämpfte er gegen den Drang an, sie ein letztes Mal zu besuchen. Doch schon bald musste er einsehen, dass sein Kampf erfolglos war.
    Wenn er nicht wenigstens noch einmal ihre Hand hielt, ihre Stimme hörte und ihren Blick auf sich spürte, würde er ihr nach einer Meile Häscher hinterherschicken und sie zurückbringen lassen. Er richtete sich auf und zog seine Gewänder zurecht. Nur noch ein einziges Mal!
    ****
    Zehra wusste nicht, was mit ihr los war. Der Tumult in ihrem Inneren schien sich mit jedem Tag zu verstärken, anstatt abzuebben, jetzt wo Utz in ihrer Nähe war. Seit sie wusste, dass er unversehrt war, dass die Mörderin ihres Vaters bestraft war und ihrer Heimkehr nichts mehr im Weg stand, meldete sich immer öfter leiser Zweifel zu Wort. Utz hatte eine Familie, eine Frau und zwei Söhne! Dass die Ehe erzwungen war, schien nichts an seiner Liebe zu seiner Gemahlin zu ändern.
    Und diese Gemahlin war jetzt die Herrin im Hause von Katzenstein. Seit er ihr die Ereignisse in Ulm in allen Einzelheiten geschildert hatte, schlichen sich immer wieder Fragen in ihren Kopf, die sie verwirrten. War eine Rückkehr nach Ulm nicht das gewesen, wovon sie all die Zeit über geträumt hatte?
    Warum fühlte sie sich dann nicht befreit und glücklich?
    Warum tauchte gar hie und da der Gedanke auf, ob sie überhaupt in ihre Heimat zurückkehren wollte? Hatte sie nicht alles darangesetzt, dass Utz sie aus ihrer gegenwärtigen Lage befreite? Sie fuhr sich mit dem Finger über den Nasenrücken.
    Nein, nicht aus ihrer gegenwärtigen Lage! Denn die war inzwischen eine völlig andere. Reyka kam ihr unvermittelt in den Sinn, doch sie vertrieb die Erinnerung an die Kräuterfrau, die ihr als Einzige der Sinti wirklich fehlte. Warum bereitete ihr die Vorstellung, nach Ulm zurückzukehren nur solche Bauchschmerzen? Die Frage beantwortete sich wie von selbst. Weil sie wahrscheinlich niemals die Feindseligkeit und Häme vergessen würde, mit der man sie aus der Stadt getrieben hatte.
    Sie griff nach einem der ledergebundenen Bücher, welche der Fürst ihr geschenkt hatte. Nachdenklich betrachtete sie die geschwungenen Lettern auf dem Einband. Würden die Ulmer ihr jemals vergeben? Würde sie jemals einen Ehemann finden? Und würden die Menschen nicht bei dem nächsten Vorfall wieder mit dem Finger auf sie zeigen, weil sie in ihren Köpfen immer die Hexe bleiben würde? War sie nicht schon immer eine Außenseiterin gewesen?
    Ein Klopfen unterbrach ihr Grübeln. Sie spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Sobald allerdings die Tür aufging und ein Diener ihre Kammer betrat, vertrieb Enttäuschung die Aufregung. Sie fühlte sich seltsam betrogen. Der Mann beugte das graue Haupt und sagte: »Der Fürst lässt Euch ausrichten, dass Ihr aufbrechen könnt, wann immer Ihr wollt.« Die lang ersehnten Worte hatten eine Wirkung, die Zehra im wahrsten Sinne des Wortes die Beine unter dem Körper wegzog. Mit einem erstickten Laut tastete sie nach der Lehne eines Sessels und ließ sich schwer in die Polster fallen. Bevor jedoch die Fragen, die ihr durch den Kopf schossen, den Weg über ihre Lippen finden konnten, vernahm sie energische Schritte auf dem Gang. Nur wenige Atemzüge später betrat der Woiwode den Raum. Seine grünen Augen wirkten schlammfarben, und sein Gesicht war weiß wie Kalk.
    Nachdem er den Diener verscheucht hatte, schloss er die Tür hinter sich und trat unsicher näher. Kein Laut außer seinem heftigen Atmen unterbrach die Stille. Als Zehra es schließlich wagte, zu ihm aufzusehen, setzte ihr Herz einen Schlag aus.
    So viel Leidenschaft lag in seinem Blick, dass ein Teil von ihr vor ihm zurückweichen wollte. Der andere Teil streckte ihm jedoch, ohne zu zögern, die Hände entgegen, als er ihr auf die Beine half. »Ich musste Euch noch einmal sehen, bevor Ihr abreist«, stieß er mit rauer Stimme hervor. »Nur noch ein allerletztes Mal.« Es war kaum mehr als ein Hauchen. Sein Mund war keine fünf Zoll von Zehras Lippen entfernt. Es blieb nicht einmal mehr Zeit für ein Blinzeln, ehe er sich zu ihr hinabbeugte und sie seine Lippen auf den ihren spürte.
    Ihr Verstand versuchte, sie zu warnen, dass das, was sie tat, all ihre Pläne zunichte machen würde. Doch die unendliche Zartheit des Kusses brachte jeglichen Protest zum Verstummen.
    Vorsichtig, als habe er Angst, sie zu erschrecken,
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