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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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nicht wieder
rausgekommen.«
    »Wie lange war das?«
    »Na, eine Zigarettenlänge.«
    Sie stand dicht neben ihm, und sein Handrücken berührte den glatten
Stoff des Morgenmantels. Er nahm ihren Duft wahr, und er erinnerte ihn an eine
frisch gemähte Wiese. Irritiert stellte er fest, dass sich Gänsehaut auf seinen
Unterarmen ausbreitete.
    »Lassen Sie uns wieder zumachen, Sie holen sich noch den Tod«, sagte
er.
    Sie setzten sich wieder an den Tisch mit dem späten Frühstück.
    Sie lächelte – etwas verwirrt, wie ihm schien. Oder lag es daran,
dass er selber verwirrt war? Sie saß ihm gegenüber, aber immer noch glaubte er,
ihren Duft wahrzunehmen.
    »Vielleicht hat er mich ja bemerkt und hat im Eingang gewartet, bis
ich wieder drin war«, sagte sie, und es kam Schafmann vor, als müsse sie sich
zum Thema zurückzwingen.
    Er hustete verlegen. »Können Sie den Mann beschreiben?«, fragte er.
    Sie zuckte die Achseln, wobei sich der Ausschnitt des Morgenmantels
ein wenig verschob und etwas mehr Einblick erlaubte, als man vielleicht
schicklich genannt hätte. Schafmann holte Luft und zwang seinen Blick auf den
Kaffeebecher.
    »Er war dunkel gekleidet, trug einen Trachtenhut und schien ein
bisschen zu hinken, aber ganz sicher kann ich das nicht sagen. Es war halt
dunkel.«
    »Wie alt schätzen Sie ihn?« Fast war er dankbar, wieder auf
dienstlichem Terrain zu sein, aber er konnte seinen Blick kaum von ihr wenden.
    »Eher etwas älter«, sagte sie. »Ein bisschen füllig, aber nicht
dick.«
    »Würden Sie ihn wiedererkennen?«
    »Nein. Keine Chance.«
    Schafmann griff nach seinem Kaffeebecher. Er war leer. Immer noch
hatte er Gänsehaut an den Unterarmen.
    Sein Atem ging flach. Er sah auf seinen Notizblock. Es wollte ihm
partout keine vernünftige Frage mehr einfallen, aber etwas hielt ihn hier fest.
Er sah sie an. Sie wich seinem Blick aus und schenkte ihm Kaffee nach. Wieder
musste er sich zwingen, nicht in den Ausschnitt des roten Morgenrocks zu
starren. Ihr Duft nahm ihm fast den Atem.
    Schafmann schenkte sich Milch ein, viel zu viel eigentlich,
irgendwas schien seine Feinmotorik zu beeinträchtigen.
    Er stellte Fragen nach ihrem Job. Sie antwortete mit ein paar
Anekdoten, und er lachte lauter, als nötig gewesen wäre. Auch dass sie während
des Studiums in München eine Dauerkarte für die Löwen hatte, erzählte sie,
obwohl sie aus Königsbrunn stamme und eigentlich seit ihrer Kindheit Fan des FC  Augsburg sei.
    Und dass sie die Wohnung bis vor Kurzem mit einem gewissen Schorsch
geteilt habe, der aber mit ihren Arbeitszeiten nicht klargekommen sei. Deshalb
sei er zurück nach Freising gezogen, zurück zu seiner Ex.
    Sie ist Single, dachte Schafmann. Sie ist allein. Sie braucht
jemanden.
    »Irgendwie kann ich Schorsch sogar verstehen«, sagte sie und nippte
an ihrer Tasse. »Aber so ein Polizistenjob ist für den Partner bestimmt auch
nicht leicht.«
    Schafmann räusperte sich. Eigentlich waren von Bärbel bisher nicht
viele Klagen gekommen. Solange er Fabian zum Eishockey und Felix zur Probe beim
Tölzer Knabenchor brachte, schien sie zufrieden zu sein.
    »Manchmal ist es schon ein bisschen viel«, sagte er und überlegte,
wie oft er Bärbel mit dem Fahrdienst alleingelassen hatte. Ein halbes Dutzend
Mal in den letzten zwei Jahren, schätzte er. Immerhin. Wie es allerdings
weitergehen würde, wenn die Kleine auch noch alt genug für ein Hobby war,
stellte er sich nur ungern vor.
    Das Gespräch floss dahin, bis Schafmanns Blick auf seine Armbanduhr
fiel. Er schrak zusammen und stand eilig vom Tisch auf.
    »Ich hoffe, Sie kriegen den Kerl«, sagte Carmen Misera mit einem
warmen Lächeln, als sie ihn zu Tür begleitete.
    »Über kurz oder lang«, antwortete er.
    Sie reichte ihm die Hand. Er ergriff sie. Sie war warm und trocken
und fühlte sich feingliedrig und kräftig zugleich an.
    »Pfüat Eane«, wollte er sagen, aber es kam nur ein halb
artikuliertes Krächzen dabei heraus.
    Sie lächelte ihn an. »Wenn Sie mal Kaffeedurst haben und in der Nähe
sind …«
    »Ja«, sagte er. »Wenn ich in der Nähe bin.«
    Er trat ins Treppenhaus. Als sie die Tür hinter ihm geschlossen
hatte, warf er einen langen, verwirrten Blick zurück.
    Was, zum Teufel, war das ?, dachte er. Ganz
langsam ging er die Treppe hinunter. Er dachte an eine frisch gemähte Wiese.
    * * *
    »Du bist nicht im Büro«, stellte die Stimme fest.
    »Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Sebastian.
    »Ich hab versucht, dich dort anzurufen. Man
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