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Der Teufel trägt Prada

Der Teufel trägt Prada

Titel: Der Teufel trägt Prada
Autoren: Lauren Weisberger
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Outfit interessierte. Einen Meter vor der Glastür, die ins Vorzimmer führte, riss mir Emily die Aktentasche aus der Hand und feuerte sie unter ihren Schreibtisch. Die Botschaft war klar: Mit dem Teil hast du keine Chance. Noch ein paar Schritte und ich stand in Mirandas Büro: einem weiten, offenen Raum mit riesigen Fenstern, durch die hell das Licht hereinflutete. Ansonsten nahm ich an jenem Tag von meiner Umgebung nicht mehr das Geringste wahr: Ich hatte nur noch Augen für sie.
    Da ich Miranda Priestly noch nicht einmal von irgendwelchen
Fotos kannte, war ich regelrecht geschockt darüber, wie mager sie war. Die Hand, die sie mir zur Begrüßung über ihren Schreibtisch hinstreckte, war zartgliedrig, feminin, weich. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um mir in die Augen sehen zu können, aber sie stand nicht auf. Ihr perfekt gefärbtes Blondhaar war zu einem eleganten Knoten nach hinten gerafft, locker genug, um leger zu wirken, doch gleichzeitig so straff, dass sich keine einzige Strähne lösen konnte. Obwohl sie nicht lächelte, machte sie auch keinen besonders Furcht erregenden Eindruck. Sie wirkte eher milde, eine relativ kleine Person, die fast hinter ihrem großen schwarzen Schreibtisch verschwand. Ich ließ mich nicht davon einschüchtern, dass sie mir keinen Platz anbot, sondern zog mir cool einen der unbequemen schwarzen Besucherstühle heran. Erst als ich saß, bemerkte ich es: Sie nahm mich ganz genau unter die Lupe und beobachtete aufmerksam meine unbeholfenen Versuche, mich möglichst souverän und distinguiert zu geben. In ihren Augen lag so etwas wie Belustigung. Sie mochte herablassend und schwierig sein, das ja, aber besonders fies oder gehässig kam sie mir nicht vor. Sie ergriff das Wort.
    »Was führt Sie zu Runway , Aan-dreh-aa?«, näselte sie mit einem ausgeprägten englischen Oberschichtakzent, ohne mich auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
    »Ich hatte ein Vorstellungsgespräch bei Sharon. Sie sagte mir, dass Sie eine persönliche Assistentin suchen«, antwortete ich mit nun doch etwas zittriger Stimme. Als sie nickte, fasste ich etwas mehr Selbstvertrauen. »Und nachdem ich nun auch mit Emily, Allison und Cheryl geredet habe, habe ich einen guten Einblick in die Aufgaben bekommen, die mich in dieser Funktion erwarten würden. Ich denke, ich wäre genau die Richtige für den Job«, fuhr ich dreist fort, Cheryls guten Rat immer im Hinterkopf. Miranda schien amüsiert, aber völlig unbeeindruckt.
    Und jetzt passierte das Merkwürdige. Auf einmal wollte ich die Stelle unbedingt haben, so wie man sich manchmal etwas
wünscht, was vollkommen unerreichbar zu sein scheint. Mich reizte die Herausforderung – ich wurde zur Hochstaplerin, wenn auch zu keiner besonders guten. Mir war vom ersten Augenblick an klar gewesen, dass ich nicht zu Runway gehörte. Dass meine Kleidung und meine Frisur nicht hierher passten, lag sowieso auf der Hand, doch was am meisten störte, war meine Einstellung. Ich hatte von Mode nicht die leiseste Ahnung. Mode war mir schnuppe, wurst, total egal. Genau darum musste ich den Job unter allen Umständen haben. Und würden nicht Millionen junger Frauen ihr Leben dafür geben?
    Ich beantwortete Mirandas Fragen mit einer Offenheit und einem Selbstbewusstsein, die mich selbst überraschten. Alles ging so schnell, dass ich überhaupt keine Zeit hatte, kalte Füße zu kriegen. Außerdem machte sie keinen unangenehmen Eindruck, und ich hatte bisher nichts Nachteiliges über sie gehört – was nur mal wieder beweist, wie ahnungslos ich war. Das Gespräch geriet erst ein wenig ins Holpern, als wir zu meinen Fremdsprachenkenntnissen kamen. Nachdem ich ihr eröffnet hatte, dass ich Hebräisch konnte, hielt sie inne, presste die Handflächen auf den Tisch und sagte eisig: »Hebräisch? Ich hatte auf Französisch gehofft oder wenigstens eine andere, etwas nützlichere Sprache.« Fast hätte ich mich entschuldigt, konnte mich aber noch im letzten Moment bremsen.
    »Leider spreche ich kein Wort Französisch, aber das dürfte in der Praxis kein Problem sein.«
    Sie faltete die Hände. »Wie ich sehe, haben Sie am Brown College studiert.«
    »Ja, Englisch im Hauptfach. Ich habe mich besonders auf das kreative Schreiben konzentriert. Die Schriftstellerei war schon immer mein Traum!« Wie kitschig! Fiel mir wirklich nichts Besseres ein als Traum ?
    »Sie wollen Schriftstellerin werden? Heißt das, dass Sie sich nicht für Mode interessieren?« Sie trank einen Schluck
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