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Der Teufel trägt Prada

Der Teufel trägt Prada

Titel: Der Teufel trägt Prada
Autoren: Lauren Weisberger
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erst mühsam Sprosse um Sprosse auf der Karriereleiter nach oben kraxeln zu müssen. Wenn Sie Talent haben, können Sie es sofort bis weit nach oben schaffen...« So ging es weiter und immer weiter, ohne dass sie sich auch nur die Mühe gemacht hätte, so etwas Ähnliches wie Begeisterung für ihre Ausführungen vorzutäuschen. Besonders dumm kam sie mir nicht vor, aber sie hatte einen leicht benebelten Blick, wie man ihn sonst nur bei Sektenjüngern beobachten kann oder bei Leuten, die einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Ich hatte den Eindruck, dass sie es nicht einmal bemerken würde, wenn ich einschlief, in der Nase bohrte oder einfach aufstand und ging.
    Als auch diese Runde endlich vorbei war und Alison mich allein ließ, um den nächsten Sparringspartner für mich zu organisieren, war ich so erschöpft, dass ich mich auf dem wenig einladenden Sofa im Empfangsbereich am liebsten lang ausgestreckt hätte. Es ging alles so schnell, dass ich kaum wusste, wo mir der Kopf stand. Trotzdem war ich aufgeregt. Was machte es
schon, dass ich Miranda Priestly nicht kannte? Alle anderen schienen von ihr zutiefst beeindruckt zu sein. Sicher, es ging nur um eine Modezeitschrift, nicht gerade prickelnd, aber es war immer noch um Klassen besser, bei Runway zu arbeiten als bei irgendeinem ätzenden Werbeblättchen. Eine Tätigkeit bei Runway im Lebenslauf vorweisen zu können, würde mir, wenn ich mich später beim New Yorker bewarb, bestimmt mehr nützen als zum Beispiel Ein Herz für Hunde . Außerdem: Würden nicht Millionen junger Frauen für diesen Job ihr Leben geben?
    Nachdem ich mich eine weitere halbe Stunde in diesen und ähnlichen Gedanken ergangen hatte, betrat das nächste ranke, schlanke Geschöpf den Empfangsbereich. Zwar stellte sie sich vor, aber ich vergaß ihren Namen sofort wieder, hatte nur Augen für ihre umwerfende Erscheinung. Sie trug einen engen Jeansrock im Fetzenlook, ein durchsichtige weiße Bluse und silberne Riemchensandalen. Außerdem war sie perfekt gebräunt und manikürt und trug so viel nackte Haut zur Schau, wie es kein normaler Mensch in einem eisigen New Yorker November jemals tun würde. Als sie mir bedeutete, aufzustehen und ihr durch die Glastür zu folgen, wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, wie ich aussah mit meinem schrecklichen Outfit und den labbrigen Haaren: wie eine Vogelscheuche. Kein Accessoire, kein Schmuck, nur das nötigste Make-up. Bis zum heutigen Tag denke ich mit Grausen daran zurück, wie ich an jenem Schicksalstag angezogen war und dass ich sogar etwas Aktentaschenähnliches mit mir herumschleppte. Ich kriege immer noch einen knallroten Kopf, wenn ich mich daran erinnere, wie trampelig ich zwischen den elegantesten und schicksten Frauen in ganz New York umhertapste. Erst später, als ich selbst fast eine von ihnen geworden war, erfuhr ich, wie köstlich sie sich zwischen den einzelnen Gesprächsrunden über meine Jammergestalt amüsiert hatten.
    Nach der unverzichtbaren Musterung von Kopf bis Fuß brachte mich die Umwerfende zu Cheryl Kenston, Chefredakteurin
von Runway und liebenswerte Spinnerin in einem. Auch dieses Gespräch schien ewig zu dauern, aber diesmal hörte ich zum ersten Mal richtig zu. Und zwar deswegen, weil sie ihre Arbeit anscheinend tatsächlich liebte, so begeistert schwärmte sie von den Textbeiträgen, von den tollen Artikeln, die sie zu lesen bekam, von den Autoren, die sie betreute, und von den Redakteuren, für die sie verantwortlich war.
    »Mit dem Modeteil der Zeitschrift habe ich nicht das Geringste zu tun«, verkündete sie stolz. »Wenn Sie dazu Fragen haben, wenden Sie sich lieber an jemanden, der sich damit auskennt.«
    Als ich ihr anvertraute, dass mich eigentlich eher ein Job wie der ihre reizen würde, da ich mich weder besonders für Mode interessierte noch irgendwelche Vorkenntnisse in dem Bereich mitbrächte, lachte sie übers ganze Gesicht. »Dann sind Sie vielleicht genau die Richtige für uns, Andrea. Ich denke, es wird Zeit, dass Sie Miranda kennen lernen. Darf ich Ihnen einen kleinen Rat geben? Sehen Sie ihr in die Augen, und verkaufen Sie sich gut. So etwas imponiert ihr.«
    Wie aufs Stichwort rauschte die Umwerfende herein, um mich in Mirandas Büro zu geleiten, ein Weg von höchstens 30 Metern, auf dem mich die Blicke sämtlicher Mitarbeiter verfolgten. Eine Schönheit am Fotokopierer drehte sich um und musterte mich kritisch, genau wie ein hinreißender, aber offensichtlich schwuler Mann, der sich nur für mein
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