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Der Teratologe (German Edition)

Der Teratologe (German Edition)

Titel: Der Teratologe (German Edition)
Autoren: Wrath James White , Edward Lee
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hinabliefen.
    Allmählich erlahmte das erschreckende Spektakel aus Licht und Hitze. Farrington blinzelte und sein Mund weitete sich zu einem perfekten O. Ein Schrei bahnte sich den Weg aus seinem Zwerchfell, als der Schemen sich offenbarte.
    Das konnte unmöglich Gott sein! Nichts im oder in der Nähe des Himmels würde so gottlos und abscheulich daherkommen. Das monströse Wesen präsentierte sich als Chaos aus Gliedmaßen und Mündern, aus Genitalien jedweden Geschlechts und jedweder Rasse sowie eiternden Körperöffnungen mit Bestimmungszwecken, die jenseits von Verlangen oder Reproduktion angesiedelt zu sein schienen. Tentakel streckten sich von diesem aufgequollenen Körper in sämtliche Richtungen aus, tasteten nach unten auf die Erde und in die weite Ferne. Farringtons Augen folgten fassungslos einem fetten, schleimigen Auswuchs, der sich von diesem abscheulichen Ding ausgehend direkt seinem eigenen Schädel entgegenschob.
    »W-was bist du?«, flüsterte Farrington aufs Äußerste entsetzt von dieser Grässlichkeit, die er selbst heraufbeschworen hatte. Er konnte jetzt fühlen, wie die Tentakel seine Gedanken umschlangen. Die Präsenz fühlte sich eher vertraut als fremdartig an. Er verspürte keinen Schmerz, als wäre das Wesen nicht plötzlich erschienen, sondern schon immer dagewesen und hätte sich lediglich erst jetzt offenbart.
    »ICH BIN LUST. ICH BIN GEIZ. ICH BIN GIER. ICH BIN LEVIATHAN!«
    Seine Stimme glich einem Chor aus Brüllen und Zischen, Heulen und Ächzen, Stöhnen und Schreien. Jedes Geräusch, das jemals einen Albtraum der Menschen heimgesucht hatte, seit er in dunklen Höhlen gezittert und sich das Feuer herbeigesehnt hatte. Das Leuchten war jetzt komplett verschwunden, an seine Stelle war ein nasskalter, dampfender Nebel getreten, der alles mit einem feuchten Film zu bedecken schien, als würde die Kreatur eine Art faulende Schädlichkeit absondern.
    »DU HAST MICH GERUFEN UND ICH BIN GEKOMMEN.«
    »Aber … aber ich habe nicht dich gerufen! Ich wollte, dass Gott sich mir offenbart!«, kreischte Farrington, der vor lauter Angst wie von Sinnen war.
    »GOTT? ABER ICH BIN GOTT. ICH BIN DER GOTT DER MENSCHHEIT. NICHT DER SCHÖPFER, ABER DER ERNEUERER. ALLES, WAS EURESGLEICHEN BEUNRUHIGT, GEHT AUF MEINE INSPIRATION ZURÜCK. ICH BIN DAS BÖSE UND DIE MENSCHHEIT IST MEIN INSTRUMENT.«
    Ein endloser See aus Mündern lächelte aus der gewaltigen Masse der Kreatur auf Farrington herab. Zungen glitten hervor, um über die vulgären Lippen zu lecken. Er spürte, wie sich die Tentakel in seinem Kopf bewegten, als sich die Kreatur näher in seine Richtung lehnte.
    »LASS MICH DIR ZEIGEN, WAS ICH WIRKLICH BIN.«
    Und Farrington sah …
    Teenager, die alte Frauen ausraubten, um sich Drogen zu beschaffen. Noch jüngere Kinder, die andere Heranwachsende in Bandenkriegen massakrierten. Prostituierte, die Krankheiten mit anderen Sexsüchtigen in dunklen Gassen und auf mit Sperma befleckten Motellaken austauschten. Vergewaltiger, die Körper ausplünderten und die Lenden ihrer schreienden Opfer zerquetschten. Sexuelle Raubtiere, die künstliche Penisse mit geschärften Stahlklingen benutzten, um das zarte Fleisch ihrer sterbenden Geliebten aufzuritzen.
    Er sah Pädophile, die Kinder missbrauchten. Terroristen, die Botschaften in die Luft jagten. Satanisten, die Babys opferten. Mörder, Kannibalen, Diebe, Männer, die ihre Frauen verprügelten, Drogendealer. Jede Art von Bösem in der Welt gab sich vor seinem geistigen Auge die Klinke in die Hand, allesamt manipuliert von den Tentakeln dieses Dämons, der den kollektiven Wahnsinn orchestrierte. Vielleicht schätzte Gott den freien Willen, falls es so etwas überhaupt gab, aber für diese Kreatur war der Mensch kaum mehr als eine Marionette, ein Spielzeug für ihre perversen Vergnügungen.
    Farrington war zutiefst beeindruckt. Vor ihm stand nicht Gott, sondern etwas viel Besseres. Das war eine andere Art von Perfektion. Das perfekte Böse. Etwas, das der Milliardär verstand und dem er nacheifern konnte. Er verfügte zwar nicht über Tentakel, mit denen er den Verstand der Menschheit zu manipulieren in der Lage war, aber er besaß andere Mittel: Geld, Computer, ein globales Netzwerk. Sein Kontrollvermögen konnte mit Leichtigkeit jenes der Kreatur übertreffen. Aber es würde ihn trotzdem nicht in die Lage versetzen, die Engel auf seine Seite zu ziehen. Dafür benötigte er noch mehr Macht. Die Fähigkeit, ihren Verstand und ihren Willen zu kontrollieren, so
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