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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord
Autoren: Bernhard Hennen
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Bei diesen Ägyptern wußte man nie, wie sie reagieren würden . Erwartungsvoll sah der Herrscher sie an. Auch Samu schwieg. Hatte sie dieselben Befürchtungen wie Philippos? Mit jedem Atemzug wurde die Stille bedrückender. Schon runzelte der König verärgert die Stirn, da endlich räusperte sich Samu und nahm es auf sich, dem Herrscher die unerfreulichen Ergebnisse ihrer Untersuchung mitzuteilen.
    Während die Priesterin pathetisch von den blutigen Tränen des Buphagos erzählte, schweiften Philippos’ Gedanken zu den Ereignissen des Nachmittags ab. Was mochte der Mundschenk nur getan haben, um so bestraft zu werden? Der Arzt erinnerte sich, wie sich Buphagos, als sie alle gemeinsam mit dem König zum Artemision gegangen waren, aus der Gruppe der Höflinge gelöst hatte, um noch einmal zu der Villa zurückzukehren, die die Hohepriesterin des Tempels Ptolemaios als Residenz zur Verfügung gestellt hatte. Was immer Buphagos dort getan haben mochte, es hatte nicht lange gedauert. Schon wenig später war er wieder zurückgekehrt und hatte seinen Platz unter den anderen Höflingen eingenommen. Vielleicht war Buphagos ja von einem der Haussklaven beobachtet worden, überlegte Philippos. Er sollte sich auf jeden Fall morgen umhören, ob jemand den Mundschenk bei seiner Rückkehr zur Villa beobachtet hatte. Wenn es ihm ganz allein gelang, das Rätsel um den Tod des Hofbeamten zu lösen, würde sich der König ihm sicher erkenntlich zeigen. Ptolemaios konnte ein sehr großzügiger Mann sein, wenn…
    »Und was meinst du dazu?«
    Philippos schreckte aus seinen Gedanken auf. Der Neue Dionysos wirkte gereizt, und seine Stimme klang schrill.
    Worüber er wohl mit Samu gesprochen haben mochte? »Ich, ähm . Ich kann mich den Worten der ehrwürdigen Priesterin nur anschließen. Sie hat mit ihren Ausführungen vollkommen recht.«
    »Möge die Große Schlingerin diesem nichtsnutzigen Mundschenk den zweiten Tod schenken«, fluchte der König leise vor sich hin. »Was fällt ihm ein, uns mit seinem Ableben solchen Ärger zu machen!«
    Philippos atmete erleichtert auf. Offenbar hatte er die richtigen Worte gefunden. Mit einem stummen Gebet dankte er Athene für ihre Eingebung.
    »Glaubst du, daß die Hohepriesterin und der Protokures zu demselben Ergebnis wie ihr kommen werdet?« Der König blickte jetzt wieder zu Samu.
    »Ich muß Euch, Göttlicher, noch einmal darauf hinweisen, daß ich den Toten nicht im hellen Tageslicht untersuchen konnte. Vielleicht habe ich etwas übersehen. Sicher ist jedoch - und das wird auch unser kampferprobter Legionsarzt bestätigen können -, daß Buphagos keine auffälligen Verletzungen an den Augen hatte, obwohl er blutete.«
    Philippos nickte zustimmend und warf Samu gleichzeitig einen bösen Blick zu. Er wurde nicht gerne an seine Vergangenheit als Legionsarzt erinnert. Die Chirurgen der römischen Armee standen in dem Ruf, bessere Metzger zu sein, und auch wenn er auf den Feldzügen einige hervorragende Wundärzte kennengelernt hatte, so war es alles andere als eine Empfehlung, als kampferprobter Legionsarzt bezeichnet zu werden.
    »Und was wäre, wenn ihr dem Toten ein paar Wunden beibringt?«
    »Ich bin Heilerin, Göttlicher«, entgegnete die Isispriesterin kühl. »Als Leichenschänderin besudele ich die Würde meines Priesterinnenamtes.«
    Philippos verschlug es fast den Atem. Dieses verrückte Weib! Wie konnte sie wagen, so mit dem König zu sprechen. War sie lebensmüde? »Es gibt noch ein viel wesentlicheres Problem, Eure göttliche Majestät«, mischte sich der Arzt ein, bevor Ptolemaios Gelegenheit fand, auf Samus Unverschämtheit einzugehen. »Denkt an die beiden Kureten, die Batis begleitet haben, als er Buphagos weggetragen hat. Die zwei müssen den Toten genau gesehen haben. Sie würden es erkennen, wenn wir ihm nachträglich Wunden beibringen würden, die seinen plötzlichen Tod erklären. Auf diese Weise schaffen wir uns nur neue Probleme, denn dann müßten sich die Hohepriesterin und die anderen Leichenbeschauer fragen, wer den Buphagos verstümmelt hat und warum dies geschah.«
    »Wenn wir deinen Worten folgen, dann werden die Hohepriesterin und der Protokures zu dem Schluß kommen, daß Artemis unseren Mundschenk getötet hat.
    Du bist dir darüber im klaren, was das bedeutet? Von da an wird sich jeder Priester die Frage stellen, ob der Tod des Mundschenks ein Zeichen der Göttin ist. Du weißt, daß wir nicht nur Freunde hier im Tempel haben. Unsere Feinde werden überall
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