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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord
Autoren: Bernhard Hennen
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Zeltstadt, in der Propheten, Hexen und Magier ihre Dienste anboten. Es würde nicht schwer sein, dort jemanden zu finden, der die Priesterin für ein paar Goldstücke mit einem machtvollen Fluch belegte!
    Niedergeschlagen überquerte Philippos den kleinen Hof und ging zu seinem Zimmer. Er war müde, und doch hatte er das Gefühl, daß er keinen Schlaf finden würde. Irgendwo in der Villa erklang melancholisches Flötenspiel. Auch der König war noch wach.

2. KAPITEL

     
    S amu! Wach auf!«
    Müde blinzelte die Isispriesterin den Schlaf aus den Augen und drehte sich auf der schmalen Kline herum.
    Neben ihr stand Kleopatra. Obwohl das graue Morgenlicht noch so schwach war, daß es kaum die Kammer zu erhellen vermochte, war die Prinzessin bereits vollständig angekleidet und geschminkt, ganz so, als sei sie schon seit mindestens einer Stunde auf den Beinen.
    »Endlich wirst du wach. Du schläfst wie ein Stein, alte Frau.«
    Kleopatra lachte. »Sollst du nicht Isis jeden Morgen bei Sonnenaufgang mit einem Gebet begrüßen?«
    »Die Göttin wird es mir nachsehen, denn ich habe bis tief in die Nacht in ihrem Dienst gewacht.« Die Priesterin streckte sich und schlug die dünne Leinendecke zur Seite. »Was treibt dich kleine Furie eigentlich so früh heraus. Hast du wieder einmal Liebeskummer?«
    Die Prinzessin machte eine wegwerfende Geste. »Falls du auf Phrygius anspielst, das ist längst vorbei. Ich werde mich nie wieder in einen Sklaven verlieben. Richtige Männer sind wesentlich interessanter und . Doch darum geht es jetzt nicht. Du mußt unbedingt mit mir zum Tempel hinuntergehen!«
    Samu musterte die Prinzessin besorgt. Kleopatras Bemerkung über richtige Männer gab ihr zu denken. Nicht, daß sie mit ihren vierzehn Jahren zu jung gewesen wäre, das Lager mit einem Liebsten zu teilen, doch zweifelte die Priesterin daran, daß die Prinzessin schon wußte, wie man sich vor den möglichen Konsequenzen eines solchen Abenteuers schützen konnte. Sie sollte dringend mit Kleopatra über die Wirkungen gewisser Kräuter reden! »Was erwartet mich denn am Tempel? Ist dein neuer Liebster vielleicht ein Priester?«
    »Unsinn!« Die Prinzessin schüttelte energisch den Kopf. »Ich habe die Sklaven heute morgen in der Küche reden gehört. Irgend etwas Unheimliches muß beim Tempel geschehen sein. Man sagt, daß Thanatos, der Todesgott, aus einem der Marmorfriese gestiegen sei und einen Mann enthauptet habe.«
    Samu war mit einem Schlag hellwach. »Was für einen Mann? Ist der Mord wirklich direkt vor dem Tempel geschehen?«
    Kleopatra zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Die Sklaven haben nur behauptet, daß der Tote wie ein Ägypter gekleidet sei. Hassen uns die Götter dieser Stadt, Samu? Hat mein Vater ihnen ein Unrecht getan?«
    Die Priesterin unterdrückte einen Fluch und schwang sich vollends von der Kline. Sie haßte den Moment, an dem sie morgens ihre nackten Füße auf den kalten Steinboden aufsetzte.
    Rasch schlüpfte sie in ihr langes weißes Priesterinnengewand, verknotete es kunstvoll vor der Brust und streifte dann ihre Sandalen über.
    »Wirst du mich mitnehmen?«
    »Ich weiß nicht, ob ein toter Mann der rechte Anblick für eine Prinzessin ist.«
    »Aber mein Vater hat mir auch schon erlaubt, bei Hinrichtungen anwesend zu sein. Er meint, ich sollte den Anblick des Todes kennen, um auf den Tag vorbereitet zu sein, an dem ich einst als Herrscherin mein erstes Todesurteil fälle.«
    Samu nickte nachdenklich. Sie war unsicher, ob die Entscheidung Ptolemaios’ weise war oder ob er seiner Tochter so den Respekt vor einem Menschenleben genommen hatte. Doch jetzt war nicht die Zeit, um in philosophische Grübeleien zu versinken. »Du darfst mich begleiten, Prinzessin. Aber wenn ich dir sage, daß du zurückgehen sollst, dann wirst du dich meinen Worten fügen und nicht lange mit mir über meine Entscheidung diskutieren.«
    »Versprochen!«
    Vor dem Artemision hatte sich ein ganzer Pulk von Schaulustigen eingefunden, um die lebendig gewordene Statue zu bestaunen. Einige Priester und Tempelwächter versuchten, die Neugierigen zurückzudrängen. Samu mußte energisch darauf pochen, eine Gesandte im Auftrag des Ptolemaios zu sein, um mit Kleopatra überhaupt bis zu den Stufen des Tempels vorgelassen zu werden. Vor dem Eingang zum Pronaos, der Vorhalle des Artemisions, erhoben sich drei Reihen riesiger Säulen, die über ihren Sockeln jeweils mit mannshohen Reliefs geschmückt waren. An der Säule links neben dem
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