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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb
Autoren: Jack Higgins
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Stammesbrüder zu ermorden, die einem Führer folgen, der so verrückt ist wie du.«
     Rivera wirkte zehn Jahre älter als an dem Tag, an dem Dillin­ ger ihn kennengelernt hatte. Unter seinem rechten Auge zuckte ein Muskel. Er hielt sein Gewehr so angestrengt umklammert, daß seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Dillinger beobach­ tete ihn wie ein Luchs und war bereit zu schießen, sobald Rivera eine falsche Bewegung machte.
     Nachdem Riveras Blick langsam von einem Gesicht zum anderen gewandert war, fragte er Rose: »Und was ist mit dir? Was hältst du davon?«
     »Heute hast du mich zum erstenmal nach meiner Meinung gefragt, als liege dir wirklich etwas an ihr, Onkel«, antwortete Rose gelassen. »Ich glaube, daß alle diese jüngeren Männer finden, daß Nachita, der uns hierhergeführt hat, eine Chance bekommen sollte, mit Ortiz zu verhandeln. Falls der Erfolg ausbleibt, können wir noch immer zu den Gewehren greifen.«
     Dillinger mußte sich beherrschen, um nicht Beifall zu klat­
    schen, wie er es manchmal im Kino tat, wenn ein Filmschau­ spieler etwas sagte, mit dem er völlig übereinstimmte. Er hätte nie geglaubt, daß er eines Tages einer Frau begegnen würde, die ihm überlegen war – aber hier stand sie vor ihnen, war tapfer wie ein Mann und entwickelte eine Beredsamkeit, zu der er nie imstande gewesen wäre.
     Plötzlich hörten sie Hufschläge näher kommen.
     Sekunden später wurde der erste Apache am Rand der Lich­
    tung sichtbar. Ortiz ritt dicht hinter ihm.
     Er saß mit überheblicher, lässiger Eleganz auf seinem Pferd – die Verkörperung des Bösen in seinem scharlachroten Hemd und dem roten Kopfband. Als Ortiz auftauchte, stieß Rivera einen erstickten Schrei aus und riß sein Gewehr hoch.
     »Nicht schießen, Idiot!« brüllte Dillinger.
     Der schlecht gezielte Schuß traf das Pferd in den Hals, und Ortiz wurde von dem sich aufbäumenden Tier abgeworfen. Er rollte sich zweimal ab, kam mit unglaublicher Behendigkeit wieder auf die Beine und verschwand im Gestrüpp, als Rivera erneut abdrückte.
     Der zweite Apache riß bereits sein Pferd herum, um ihm zu folgen, als Chavasse, Dillinger und Villa fast gleichzeitig schossen. Er kippte aus dem Sattel, und das reiterlose Pferd trabte laut wiehernd den Weg entlang zurück.
     Rivera schoß ins Gebüsch, bis das Magazin leer war, lud nach und hätte weitergeschossen, wenn Chavasse ihm nicht das Gewehr entwunden hätte.
     »Dafür ist’s jetzt zu spät, Dummkopf! Wann begreifst du das endlich?«
     Rivera starrte ihn mit glasigen Augen an. Er atmete schwer und hatte große Schweißperlen auf der Stirn. Im nächsten Augenblick fielen draußen fast gleichzeitig ein halbes Dutzend Schüsse. Die Kugeln kamen durch die unverglasten Fensteröff­ nungen und prallten von der gegenüberliegenden Wand ab. Wie durch ein Wunder wurde niemand durch die bösartig pfeifenden Querschläger verletzt.
     Chavasse riß Rivera mit sich zu Boden, während Dillinger und Villa unter die Fenster krochen und die schweren Holzlä­ den schlossen. In jeden Laden war nur ein Guckloch gesägt, aber durch die oberen Fenster fiel weiterhin genug Licht in die Kapelle. Aus dem Gebüsch krachten noch einige Schüsse, bis die Apachen einsahen, daß die Fensterläden zu massiv waren, um von Kugeln durchschlagen zu werden. Dann herrschte Stille.
     Dillinger sah vorsichtig aus einem der Gucklöcher. Ortiz’ Pferd und der tote Apache lagen am Rand der Lichtung. Im Dickicht war keine Bewegung zu erkennen.
     Als er sich abwandte, fragte Chavasse, der am nächsten Fen­ ster stand: »He, was ist das?«
     Aus dem Unterholz wurde ein Zweig mit einem weißen Stoff­ fetzen hochgehalten und geschwenkt. »Sie wollen verhan­ deln!« sagte Villa nach einem kurzen Blick nach draußen.
     »Das muß sich erst rausstellen«, widersprach Dillinger. »Es kann auch eine Falle sein.« Er wandte sich an Nachita. »Was hältst du davon?«
     Der Alte zuckte mit den Schultern. »Es gibt nur eine Mög­ lichkeit, ihren Verhandlungswillen auf die Probe zu stellen.«
     Er entriegelte die Tür und trat ins Freie. Nachdem er sein Gewehr mit beiden Händen über den Kopf gehalten hatte, lehnte er es an die Außenmauer der Kapelle und ging quer über die Lichtung. Ortiz tauchte aus dem Gebüsch auf und kam ihm entgegen.
     Villa riß sein Gewehr hoch, als Rivera einen Schritt nach vorn machte. »Lieber nicht, Don José!«
     Rivera starrte ihn sekundenlang wütend an, aber er hatte
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