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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst
Autoren: Lisa Gardner
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versuchte sich an einem vorläufigen Profil des Opfers. Männliche Person weißer Hautfarbe und mittleren Alters, alleinlebend in einer heruntergekommenen Mietwohnung.
    Was hatte ihn in diese Gegend verschlagen? Als Weißer musste man hier unangenehm auffallen. War er so einsam gewesen, dass er sich deshalb ein Hündchen zugelegt hatte? Er hatte aber doch anscheinend Gesellschaft gehabt, jemanden eingeladen, auf einen Drink vielleicht oder um ihm den neuen Welpen zu zeigen. Hereinspaziert, was willst du trinken, zum Knabbern hätte ich auch was da –
    D.D. hatte wieder dieses Gefühl, ein Prickeln, das bei einem guten Detective vom Steißbein ausging und sich über die Wirbelsäule bis in den Nacken fortsetzte, wo es die kleinen Härchen aufrichtete und ein leichtes Schaudern auslöste.
    Sie warf einen Blick auf Neil, der sie immer noch angrinste.
    «Ich komm nicht drauf», sagte sie.
    «Schade.»
    «Was hat Phil herausgefunden?»
    «Unter dem Bett waren zwei Schuhkartons voller Fotos.»
    «Ist das Opfer aktenkundig?»
    «Bei uns nicht, aber sein Name und seine Fingerabdrücke laufen gerade durch die nationale Datenbank.»
    «Und was ist mit den Fotos?»
    «Da sind Jungs drauf zu sehen, alle unter zwölf, die meisten schwarz, aber manche auch anderer ethnischer Herkunft. Ich würde sagen, er hat sie nicht nach ihrem Aussehen ausgesucht, sondern einfach Gelegenheiten ergriffen.»
    «Schwein!», platzte es aus D.D. heraus. «Er stand also auf kleine Jungs – und hat mitten unter seiner Zielgruppe Quartier bezogen, unter ungeliebten, unbeaufsichtigten und verwundbaren Kindern. Ging mit seinem süßen kleinen Welpen spazieren und lud den einen oder anderen Jungen auf eine Cola und ein paar Chips zu sich nach Hause ein. Verdammtes Schwein!»
    «D.D.»
    Sie musterte den Toten, die beiden Löcher in der Stirn, das wächserne Gesicht. «Da hat wohl jemand zurückgeschlagen», murmelte sie und dachte an die sorgfältig abgewischte Tischplatte. «Vielleicht ein Elternteil, ein älterer Bruder oder Freund. Man ist ihm auf die Schliche gekommen, und jetzt ist er tot. Gut.»
    «D.D.»
    «Was?»
    «Es kommt noch besser.»
    «Was könnte es Besseres geben als einen Perversen weniger in unserer Stadt?»
    Phil kam aus dem Schlafzimmer und ließ die Handschuhe von den Fingern schnappen. «Hast du’s ihr schon gesagt?», fragte er Neil.
    «Was?»
    «Du warst im Mutterschaftsurlaub», antwortete Phil, als erklärte das alles.
    «Was könnte er mir gesagt haben?»
    «Es gibt nicht nur einen Perversen weniger in der Stadt», antwortete Neil lächelnd. «Mr. Willst-du-mal-mein-Hündchen-streicheln ist einer von zweien.»

    Phil und Neil klärten sie auf. Die Sache lag vier Wochen zurück. Da war Jack gerade sechs Wochen alt gewesen, ein kleiner Kloß, der eingekringelt an ihrer Brust gelegen und sich wie eine Wärmflasche angefühlt hatte, aber viel anspruchsvoller war, weshalb sie ihn stundenlang schaukeln musste, seine Finger und Zehen zählte und ihm über den unfassbar weichen Flaum strich, der seinen Kopf bedeckte. Mit anderen Worten, sie hatte definitiv keine Nachrichten gesehen oder gehört, denn sie war von ihrem Baby voll in Anspruch genommen worden wie nie von jemandem zuvor. Total. Ausnahmslos. Und ohne einen Gedanken an etwas anderes zu verlieren. Wenn Alex abends von der Arbeit nach Hause gekommen war und sie und Jack im Schaukelstuhl sah, hatte er sie angelächelt, wie sie noch nie von einem Mann angelächelt worden war. Und dann hatte sie dieses seltsame Gefühl in der Brust. Ein Gefühl von Zugehörigkeit. Von Dasein. Von Zufriedenheit vielleicht.
    Sie hatte die acht Wochen Mutterschaftsurlaub tatsächlich genossen.
    Vor vier Wochen also, als sie sich um ihr Baby in Waltham gekümmert hatte, war ein Sexualstraftäter in seinem Apartment nahe dem Suffolk County Krankenhaus erschossen worden. Nicht in der Küche, wie Phil hinzufügte, sondern im Flur. Niedergestreckt von zwei präzise platzierten Schüssen aus einer 22er. Anscheinend hatte er unmittelbar zuvor die Wohnungstür geöffnet.
    Keine Zeugen. Allerdings hatten zwei Nachbarn einen jungen Mann, einen Teenager vielleicht, in der Nähe herumlungern sehen. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Opfers waren Videos mit pornographischem Inhalt gefunden worden sowie Unmengen von Fotos auf Festplatten, die ausnahmslos Jungen und Mädchen zwischen sechs und zwölf Jahren in eindeutigen Posen zeigten.
    Das Opfer – Douglas Antiholde – war einschlägig vorbestraft gewesen
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