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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker
Autoren: Tania Carver
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draußen.
    Sie hatte eine Idee …
    »Sind Sie ein gläubiger Mensch, Phil? Sie scheinen der Typ dafür zu sein.«
    Er antwortete nicht.
    Fiona Welch machte vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. »Ich meine nur, falls Sie irgendwelche Gebete kennen, würde ich an Ihrer Stelle jetzt anfangen zu beten.«
    Er bemühte sich verzweifelt, das Gleichgewicht zu halten und seinen Atem zu kontrollieren.
    »Sie fangen besser sofort an, an ein Leben nach dem Tod zu glauben. Nicht, dass es eins gäbe – ich weiß das, schließlich bin ich Psychologin –, aber die Vorstellung macht Ihnen Ihre letzten Sekunden vielleicht etwas erträglicher.«
    Sie kam noch einen Schritt näher.
    Phil merkte, wie er zu schwanken begann …
    Doch dann breitete Fiona Welch urplötzlich die Arme aus wie ein Prediger, der seine Gemeinde beschwört. Ihre Augen wurden groß, und sie begann panisch mit den Armen zu rudern.
    »Nein, nein!«
    Ihre Finger öffneten und schlossen sich, doch sie griffen ins Leere.
    »Nein, nicht ich …«
    Ihre Augen waren weit aufgerissen vor Entsetzen. Weil sie wusste, was gleich passieren würde.
    Fiona Welch schrie. Dann stürzte sie in den Tod.
    Phil sah zur Wartungsöffnung hinüber. Ein Haken schwang an seiner Kette hin und her. Daneben stand Suzanne Perry. Er lächelte.
    Sie erwiderte sein Lächeln.
    Vorsichtig ging er auf sie zu.
    Er würde es heil nach unten schaffen.
    Er würde weiterleben.

FÜNFTER TEIL

 
    112 Das einzige Geräusch im Raum war das leise Piepsen der Herz-Lungen-Maschine. Seine Regelmäßigkeit hatte etwas Beruhigendes an sich.
    »Das Geräusch«, sagte Marina leise, als wäre sie in einer Kirche und traute sich nicht, lauter zu sprechen. »Ich dachte immer, solange das Geräusch da ist, wird bestimmt alles gut. So lange gibt es noch Hoffnung.«
    Ihre letzten Worte wurden von einem Schluchzen erstickt.
    Phil, der neben ihr stand, drückte fest ihre Schulter.
    »Aber manchmal reicht das eben nicht«, fuhr sie, immer noch im Flüsterton, fort. »Manchmal braucht man die bittere Wahrheit. Muss aufhören zu träumen.« Sie seufzte. »Und anfangen zu leben.«
    Sie trat vor und sah auf die Gestalt hinab, die reglos im Bett lag. Phil blieb, wo er war. Er war da, falls sie ihn brauchte.
    Tony sah so zerbrechlich aus. Bei jedem Besuch schien er ein bisschen kleiner geworden zu sein. Sie dachte an einen alten Science-Fiction-Film in Schwarzweiß, den sie als Kind gesehen hatte, in dem ein Mann immer weiter schrumpft, bis er schließlich nur noch unter dem Mikroskop zu sehen ist. Ein einzelnes Atom im Herzen des Universums.
    Aber das hier war anders. Tony schrumpfte nicht, er siechte einfach nur dahin.
    Er würde nicht als Atom ins Herz des Universums entschweben. Und aufwachen würde er auch nicht mehr.
    Marina beugte sich vor, wollte ihn küssen. Doch dann richtete sie sich wieder auf und drehte sich voller Panik zur Krankenschwester um.
    »Was, wenn er mich sehen kann? Oder hören? Das kommt doch vor, oder nicht? Dass Leute, die jahrelang im Koma gelegen haben, plötzlich aufwachen und dann sagen, dass sie die ganze Zeit über alles hören konnten …«
    Die Schwester, die schweigend abseitsgestanden hatte, trat vor. »Manchmal«, sagte sie genauso leise wie zuvor Marina. »In seltenen Fällen. Es kommt darauf an, was für Verletzungen der Patient hat. In welchem Zustand er sich befindet.«
    »Und Tony …«
    Die Schwester schüttelte den Kopf.
    Natürlich wusste Marina es selbst. Sie hatten diese Unterhaltung oft genug geführt, nur hatte sie nie wirklich hingehört.
    Bis zu diesem Tag.
    Erneut beugte sie sich über Tony, und diesmal drückte sie ihm sanft einen Kuss auf die Stirn. Er regte sich nicht. Kein Lächeln, kein Zucken, kein Anzeichen, dass er irgendetwas gespürt hatte.
    Sie richtete sich auf und hauchte: »Leb wohl.«
    Dann trat sie zurück und sah sich nach Phil um. Der legte sofort wieder seinen Arm um sie. Die Berührung gab ihr Kraft. Sie nickte der Schwester zu, die zum Apparat neben dem Bett trat.
    Das Piepsen hörte auf.
    Marina vergrub das Gesicht an Phils Brust und begann zu weinen.
    Sein Arm hielt sie fest, so fest, dass sie das Gefühl hatte, er würde sie nie wieder loslassen.
    113 Die Sonne stand hoch, der Strand war flach. Man konnte meilenweit sehen. Niemand würde sich ihr unbemerkt nähern können.
    Und genau so wollte Suzanne es.
    Sie saß auf dem Gartenmäuerchen und blickte aufs Meer. Das Haus war gut gesichert, und niemand hier wusste, wie sie hieß. Sie war bloß
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