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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker
Autoren: Tania Carver
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Verhaltensmuster schon öfter gesehen. Wenn ein Verdächtiger erst mal ein Geständnis abgelegt und sich all seine Taten von der Seele geredet hatte, konnte es durchaus passieren, dass er einfach einschlief. Turner schien keine Ausnahme zu sein. Seine Lider waren halb geschlossen, und sein Kopf schwankte hin und her, als könne er ihn vor Müdigkeit nicht mehr halten.
    Marina war neugierig. Sie verließ den Beobachtungsraum und trat auf den Gang hinaus. Vor der Tür des Vernehmungsraums zögerte sie. Sollte sie wirklich reingehen? Oder würde sie damit seine Aussage in irgendeiner Weise kompromittieren? Konnte es womöglich als Belästigung aufgefasst werden, oder als Versuch, ihn unter Druck zu setzen? Sie hatte keine Ahnung. Aber es war eine gute Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, bevor er abgeführt wurde.
    »Darf ich kurz?«, wandte sie sich an den Uniformierten, der vor der Tür Wache hielt.
    Wortlos trat der Mann beiseite.
    Drinnen stank es nach Schweiß, was keine Überraschung war. Sie hatte gesehen, wie die beiden Männer sich verausgabt hatten.
    Turner bemerkte kaum, dass sie ihm gegenüber Platz nahm.
    »Hallo«, sagte sie.
    Er antwortete nicht.
    »Ich bin die neue Profilerin in diesem Fall. Können wir kurz miteinander sprechen?«
    Ein Schulterzucken.
    »Der Fall ist so ungewöhnlich, und ich finde, dass er unbedingt aufgezeichnet werden sollte. Hätten Sie was dagegen, wenn ich Ihnen im Hinblick darauf noch ein paar Fragen stelle?«
    Er sah auf, als nähme er sie jetzt erst wahr.
    Und lächelte.
    »Sie kommen sowieso zu spät.«
    Sie runzelte die Stirn. Das war nicht ganz die Reaktion, die sie erwartet hatte. »Was meinen Sie damit? Wer kommt zu spät?«
    »Die Bullen .« Er sprach das Wort aus, als bezeichne es eine tödliche, hochansteckende Krankheit.
    »Zu spät wofür?«
    »Um sie zu retten, was denn sonst?«
    Ihr Herz machte einen Satz. »Was meinen Sie damit? Hat er sie schon getötet, ist es das? Sind sie bereits tot?«
    Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht …«
    »Was dann?«
    »Das Gebäude. Das Gebäude der Dock Transit …«
    »Was ist damit?«
    »Falls die Sache schiefgeht. Außer Kontrolle gerät. Für den Fall gibt es einen Plan.«
    »Was für einen Plan?«
    »Wissen Sie, was er mit dem Boot gemacht hat?« Dann, nur für den Fall, dass Marina nicht verstand, hob er die Hände, und seine Finger öffneten sich, als sprängen die Blütenblätter einer Blume auf.
    » Boom  …«
    Marina rannte, so schnell sie konnte.
    107 Phil hatte den Fuß der Treppe erreicht. Einfach war es nicht gewesen. Er hatte sich mehrmals mit beiden Händen am Geländer festklammern müssen, um nicht seitlich herunterzufallen oder kopfüber die Stufen hinunterzustürzen. Aber er hatte es geschafft.
    Unten angekommen, sah er sich um. Zerrte erneut an seinen Handfesseln. Er musste etwas finden, das scharf genug war, um sie durchzuschneiden. Der Wind pfiff durch die Ritzen in den rostigen Wellblechwänden. Das brachte ihn auf eine Idee. Langsam und vorsichtig, um nicht zu stolpern, ging er bis zu einer Wand. Er drehte sich mit dem Rücken zu ihr und tastete nach einem Loch.
    Es gab mehr als genug. Irgendwann fand er eins auf Hüfthöhe mit einer rostigen gezackten Kante.
    Perfekt.
    Er suchte sich die schärfste Stelle, legte seine Handgelenke dagegen und scheuerte so schnell und fest mit der Fessel darüber, wie er konnte.
    Seine Arme wurden schwer, seine Schultern brannten vor Anstrengung, und er war innerhalb kürzester Zeit außer Atem. Aber irgendwann begann die Fessel nachzugeben. Durch den Erfolg ermutigt, arbeitete er noch verbissener und ignorierte die immer stärker werdenden Schmerzen, bis er spürte, wie das Plastik dünner wurde und allmählich nachgab. Er zerrte noch ein letztes Mal, und schließlich riss es. Er war frei.
    Keuchend sackte er vornüber auf die Knie und rieb sich die Handgelenke.
    Dann stand er auf und sah sich um. Versuchte, Suzanne oder den Creeper irgendwo zu entdecken.
    Nichts.
    Er drang tiefer in die Halle vor, lauschte, blinzelte und hoffte, dass sich seine Augen bald an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Und dass er nicht zu spät kam.
    Der Creeper spürte den Kitzel der Jagd. Nur das war wichtig. Was kümmerte es ihn, ob sie Rani war oder nicht? Die Jagd war das, was wirklich zählte. Nur für diesen Moment lebte er.
    Seiner Beute nachstellen, sie in die Enge treiben, in eine Falle locken – das war das Größte. Nur dabei fühlte er sich wirklich lebendig.
    Wenn er jagte,
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