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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady
Autoren: Mary Jo Putney
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schenkte ihrer Schwägerin einen frostigen Blick. »Lies ihren Brief doch selbst.« Sie holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus ihrem Schreibtisch. »Das undankbare Geschöpf ist vor drei Tagen mitten in der Nacht verschwunden.«
    Stirnrunzelnd las Desdemona ROSS das Schreiben.
    »Sie schreibt hier, ich hätte sie zu einem längeren Aufenthalt eingeladen, was einfach nicht zutrifft.
    Ich kam mit der Absicht in den Norden, sie mit nach London zurückzunehmen, falls wir gut miteinander auskommen. Aber nie habe ich so etwas in schriftlicher Form geäußert.«
    »Maxima ist ein höchst unberechenbares Geschöpf, nicht im geringsten zivilisiert oder wohlerzogen.« Lady Collingwood hob die Schultern und musterte die Kleidung ihrer Schwägerin. Desdemona war ein Talent zur Schäbigkeit eigen, das schon etwas Geniales hatte. Vermutlich verstieß es gegen ihre Blaustrumpfprinzipien, sich anziehend zu kleiden.
    Andererseits war es sogar klug von Desdemona, sich in unförmige dunkle Umhänge und Hauben zu hüllen. Ihre feuerroten Haare wirkten hoffnungslos unfein und verdienten es, rücksichtslos aus dem Gesicht gestrichen und im Nacken zu einem festen Knoten zusammengerafft zu werden. Und ihre Figur…
    Mit einem selbstgefälligen Lächeln für ihre unbestreitbare Eleganz fuhr Lady Collingwood fort: »Sich mitten in der Nacht aus dem Haus zu stehlen, um eine Postkutsche zu besteigen, ist genau das, was man von ihr erwarten darf.
    Lügereien übrigens auch.« Althea gähnte verstohlen. »Also wirklich, Desdemona, du kannst von Glück reden, sie verpaßt zu haben. Es erstaunt mich noch immer, daß Maximus es gewagt hat, sie hierher nach Chanleigh zu bringen. Sie gehört in den Wald zu ihren wilden Verwandten.«
    »Anstatt bei ihren wilden englischen Verwandten zu wohnen?« erkundigte sich Desdemona honigsüß. »Ihre Mutter mag eine Indianerin gewesen sein, aber wenigstens hatte sie mit dem Sklavenhandel nichts zu tun.«
    Lady Collingwood errötete heftig. Sie hatte Jahre gebraucht zu vergessen, womit ihr Vater zu seinem Reichtum gekommen war. Der Eintritt ihres Mannes verhinderte ihre empörte Entgegnung.
    »Dizzy!« Lord Collingwoods Miene zeigte freudige Überraschung. »Du hättest uns schreiben sollen, daß du kommst.«
    Trotz ihres zwanzigjährigen Altersunterschieds fühlten sich die beiden Geschwister tief verbunden. Desdemona stand auf, umarmte ihren Bruder und spürte, wie er zurückzuckte. Sie hatte gewußt, daß ihm diese Demonstration der Zuneigung peinlich war, ebenso wie er wußte, daß sie ihn dennoch umarmen würde. Das war eine uralte Familientradition. »Offensichtlich hätte ich schon drei Tage früher kommen sollen, Clete.«
    Seine Lordschaft lächelte gequält. Er verabscheute seinen Spitznamen genauso wie Desdemona das »Dizzy«.
    Nachdem die Formalitäten erledigt waren, bedachte Desdemona ihren Bruder mit einem finsteren Blick. »Ich kam, um mich nach dem Wohlergehen meiner Nichte zu erkundigen, mußte aber erfahren, daß sie mit der hanebüchenen Erklärung, mich besuchen zu wollen, auf und davon ist.«
    Er hob die Brauen, als ihm die Bedeutung des Besuchs seiner Schwester klar wurde. »Warum bist du denn nicht in London und wartest auf Maxima?«
    »Weil ich sie nicht eingeladen habe«, fauchte Desdemona. »Offenbar hat sich das arme Kind hier so wenig wohl gefühlt, daß sie in der Hoffnung davongelaufen ist, ich würde sie besser behandeln.« Sie machte eine winzige Pause und fuhr dann fort: »Es überrascht mich, daß sie das Geld für die Kutsche hatte. Ich nahm an, daß Max bei seinem Tod buchstäblich mittellos war.«
    Die Collingwoods tauschten Blicke aus. »Du hast recht, sie hatte kaum Geld«, erklärte Lady Collingwood schnell. Zwischen ihren Brauen stand eine winzige steile Falte. »Ich mußte sogar für ihre Trauerkleidung bezahlen. Wir haben umfassend für sie gesorgt, auch wenn sie erschreckend wenig Dankbarkeit zeigte.«
    »Wenn Dankbarkeit von ihr verlangt wurde, ist es kein Wunder, daß sie das Weite gesucht hat.«
    Desdemona ROSS wandte sich wieder ihrem Bruder zu. »Dieses Mädchen ist absolut fremd in England. Auf dem Weg nach London kann Maxima alles Mögliche zustoßen – besonders, wenn sie gezwungen sein sollte, zu Fuß zu gehen.«
    »Allmächtiger, so etwas würde sie doch nie in Erwägung ziehen.« Lord Collingwood zögerte, Unsicherheit breitete sich auf seinem Gesicht aus.
    »Heute früh stellte ich fest, daß meine alte Straßenkarte verschwunden ist. Ich nahm an,
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