Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
belanglos, aber die Ähnlichkeiten profund«, erklärte er eindringlich. »Wir sind beide Außenseiter, Maxie. In deinem Fall gehörst du wegen deiner Abstammung weder dem Volk deiner Mutter noch dem deines Vaters ganz an.
    Ich habe eine Vorstellung von dem, was du erdulden mußtest, weil ich trotz meines Reichtums, meiner Privilegien und
    aristokratischen Vorfahren als natürlicher Außenseiter ebensowenig in meine Welt hineinpaßte wie du in deine. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich eine Mutter gehabt hätte oder mein Vater in der Lage gewesen wäre, meinen Anblick zu ertragen.«
    Sein Gesichtsausdruck wurde ironisch. »Aber vermutlich wäre ich auch dann ein Außenseiter geworden, wenn meine Mutter meine Geburt überlebt hätte. Jede oder jede zweite Generation der Andrevilles hat ihr schwarzes Schaf, und mich überzeugte man davon, genau das zu sein, noch bevor ich laufen konnte. Mir mußte nur etwas verboten werden, schon zog es mich an. Jeder Fehler, den ich machte, war ein Beweis für meine angeborene Boshaftigkeit. Ich stellte Dinge in Frage, die nicht in Frage gestellt werden durften, widersetzte mich Anordnungen, mit denen ich nicht einverstanden war und erfand Geschichten, die für abscheuliche Lügen gehalten wurden.«
    Er hob seine mißgestaltete linke Hand. »Das lateinische Wort für links heißt sinistra und bedeutet gleichzeitig ›übel‹ oder ›böse‹, und das sagt eine Menge darüber aus, wie Linkshänder von der Gesellschaft betrachtet werden. Der Hauslehrer, den ich hatte, bevor ich in die Schule kam, war überzeugt davon, daß ich die linke Hand aus Trotz gegen ihn benutzte. Manchmal band er sie mir auf dem Rücken fest, so daß ich gezwungen war, die rechte Hand einzusetzen, oder er schlug mir mit dem Lineal auf die Handfläche, bis sie blutete.« Er lächelte düster.
    »Vermutlich war ich einer der wenigen englischen Jungen, die eine Schule dem Unterricht zu Hause vorzogen.«
    Zum ersten Mal verstand sie die Trostlosigkeit seiner Kindheit ganz. Kein Wunder, daß er sich zur Liebe unfähig fühlte. Wie war es ihm nur gelungen, darüber nicht den Verstand zu verlieren? Maxie empfand unendliches Mitgefühl für ihn und Giles, die beiden einsamen Jungen, die sehr viel Besseres verdient hätten, als sie bekommen hatten.
    Dennoch… »Zugegebenerweise sind wir beide mit dem Gefühl aufgewachsen, Außenseiter zu sein«, sagte sie langsam. »Aber reicht das aus, uns aneinander zu binden? Machen uns unsere Schwächen aus?«
    »Nicht unsere Schwächen, sondern unser Vertrauen.« In seinem weißen Hemd wirkte er schlank, stark und unglaublich attraktiv. »Wir wagen es nur, unsere Schwächen jenen Menschen einzugestehen, bei denen wir darauf vertrauen, daß sie uns dennoch akzeptieren. Ich kannte dich kaum, vertraute dir aber bereits Dinge an, die ich noch niemandem sonst eingestanden hatte, nicht einmal mir selbst.«
    »Und genau das ist es, was mir Sorgen macht, Robin«, sagte sie und vergalt Offenheit mit Offenheit. »Ich frage mich, ob du mich heiraten willst, weil ich zur Stelle war, als es dir schlecht ging. Hältst du mich für etwas Besonderes, weil du dich aussprechen mußtest und ich dir zugehört habe? Hätte das nicht jede andere Frau ähnlich gemacht?«
    »So wenig hältst du von meiner
    Menschenkenntnis?« Er lächelte sie so zärtlich und liebevoll an, daß ihre Bedenken ins Wanken gerieten. »Keine Frau könnte dich je ersetzen.
    Nur mit dir fühle ich mich ganz, vollständig.«
    Da sie noch immer zögerte, fügte er sanft hinzu:
    »Du hast mich vieles gelehrt, aber vor allem Liebe.« Er holte tief Luft. »Und ich liebe dich, Kanawiosta.«
    Bei diesen Worten, die sie nie zu hören befürchtet hatte, hielt Maxie den Atem an. »Aber du sagtest doch, du könntest nicht besonders gut lieben.«
    »Davon war ich überzeugt, aber ganz unter uns und Giles gesagt, habe ich kürzlich in dieser Hinsicht eine höchst eindringliche Lektion erhalten«, sagte er fast kläglich. »Ich glaubte, Maggie mit aller mir möglichen Intensität zu lieben und daß sie mich verlassen hätte, weil das nicht ausreichte. Jetzt weiß ich, daß ich keineswegs liebesunfähig war, sondern nur noch nicht die richtige Frau gefunden hatte. Maggie hat einmal versucht, mir das zu erklären, aber ich verstand es offenbar nicht.«
    Er schwieg und schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Im Zusammensein mit Maggie hat es stets emotionale Grenzen gegeben. Dir gegenüber, Kanawiosta, empfinde ich keine. An dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher